Mary Queen hat geschrieben:
Ragman hat geschrieben:
Der Text ist gar nicht so prophan, wie manche tun... die Musik ist sicher einfach... oder sogar "einfachst" gestrickt, und das sicher mit Absicht, um das Ding radiotauglich zu kriegen. Das kann einem gefallen oder nicht. Der Text ist aber durchaus durchdacht, mehrdeutig und nicht einfach nur so hingerotzt.
An was denkst du?
Beim ersten Hören hab ich an eine total dunkle amerikanische Landstraße gedacht, der Erzähler bzw. Hörer (also Bruce oder ich
) in einem monströsen Geländewagen dahinfahrend, ziemlich gruselige Stimmung, nur Knirschen im Radio und irgendwie die Frage im Kopf, ob da draußen sonst noch irgendwer ist - Menschen oder sogar Außerirdische... vielleicht etwas weit hergeholt, vielleicht komm ich wegen des "Is there anybody alive out there?" und "trying to make a connection" drauf.
Nach vielfachem Hören denke ich aber, dass da tatsächlich mehr Gesellschaftskritik drinsteckt, als zuerst vermutet. Wenn man sich mal auf die wesentlichen Schlagworte beschränkt: Ein Radio, ein Dröhnen, nebliger Regen, eine verlorene Nummer in einer Akte. Und auf der anderen Seite die Suche nach dem Weg nach Hause, nach einer seelenvollen Welt, nach einem geheimnisvollen Zug, nach Lebhaftigkeit, u.a. in der Gestalt von Rhythmus und Musik und schließlich die Ohmächtigkeit.
Etwas beunruhigt mich die Sachen mit der Zungenrede... meines Wissens nach ein stark umstrittenes Ritual - passt aber zu dem "you swoon" am Ende.
Haben wir hier vielleicht einen Theologen oder so hier, der da mal näher erläutern könnte?
Das trifft schon einiges von dem, was ich auch denke (wobei es allerdings in meiner Vorstellung kein monströser Geländewagen war, liegt wohl an einer Grundablehnung meinerseits gegenüber dieser Ungetüme, sondern eher ein altes, halb zerfallenes amerikanische Coupe oder Cabrio
). Außerdem kann man noch hinzufügen, dass "Radio" auch doppeldeutig sein kann, nämlich zum einen ein Radiosender, aber eben auch eine Art CB-Funk. Das Ganze hat eine apokalyptische Grundstimmung, ähnlich wie Open All Night, die Suche nach dem Weg nach Hause, raus aus dem bedrohlichen Nichts, aus der Leblosigkeit, hin zu etwas lebendigem. Es ist schlicht die Suche nach einer Fluchtmöglichkeit vor einer deprimierenden Realität, eigentlich ist das eines von Springsteens Grundthemen.
Vielleicht ist da auch eine parallel zu Bobby Jean:
Maybe youll be out there on that road somewhere
In some bus or train traveling along
In some motel room therell be a radio playing
And youll hear me sing this song
Auch da versucht der Erzähler über ein Lied im Radio eine Botschaft an eine ganz bestimmte Person zu richten.
Oder, noch eine Möglichkeit, jemand fährt allein und einsam durch eine menschenverlassene Welt, im Glauben, dass niemand mehr lebt, das Radio, das - aus welchen Grund auch immer läuft - gibt nur ein dröhnendes Geräusch von sich, bis plötzlich die Stimme ertönt: This is Radio Nowhere, is there anybody alive out there. Plötzlich also ein Lebenszeichen, das man aber nur im Radio empfangen kann, man kann keine Nachricht zurückschicken... hmm, das ist dann wohl eher die depressive Interpretation...
Ich denke auch, dass der Text durchdacht ist, aber sicherlich kein lyrisches Meisterwerk. Lyrisch ist Radio Nowhere ein guter "Prolog" wenn man es so nennen will, der die Grundstimmung des Albums vorstellt bzw. die Stimmung, in welcher sich der Erzähler am Anfang des Albums befindet. Es ist sicherlich kein Lied, welches eine besondere Katharsis hervorruft (wie z.B. Backstreets oder auch Born in the USA).
Außerdem bedarf es keiner großer Anstrengung herauszufinden, in welcher Stimmung sich der Erzähler befindet. Die Metaphern sind doch relativ eindeutig, z.T. sogar platt. Dennoch ist es natürlich kein schlechter Song. Weder musikalisch noch lyrisch, da er ja seine Aufgabe im Albumkontext glänzend erfüllt (behaupte ich einfach mal so, ohne das restliche Album zu kennen).
Radio Nowhere ist ein gutes erstes Lied, welches als Prolog fungiert und natürlich den Zuhörer anspricht, indem der Erzähler z.B. fragt: "Is there anybody alive out there?".
Der Erzähler ist also auf der Suche nach Leuten, die genauso fühlen wie er ("I just want to hear some rhythm").
Radio Nowhere lädt den Zuhörer also ein, mit dem Erzähler aus der düsteren Realität auszubrechen, mit ihm zu singen (daher auch der einfache Refrain) und das Dunkle, Einsame zu vergessen.
Der Erzähler streckt dem Zuhöhrer die Hand aus, mit ihm auf eine Reise zu gehen.