Da die Hosen ein neues Album heraus gebracht haben, hier meine Gedanken zu der Platte:
Die Toten Hosen: Laune der Natur01 UrknallDas Album knallt im wahrstein Sinne des Wortes los wie es zuvor noch kein Hosen-Album gemacht hat. Dieses Brett überrollt einen. Ob der Song für die Hosen im Jahr 2017 noch authentisch ist? Ich finde es bemerkenswert, welchen starken Kontrast man direkt zu Beginn zum vorherigen Erfolgsalbum setzt. Und wenn es sich eine Band dieser Größenordnung erlauben darf, dann sind es die Hosen.
02 Alles mit nach HauseEtwas langsamer, aber genauso energisch geht es weiter. Die Lyrics erinnern ein wenig an „Wir sind der Weg“ von der „Zurück zum Glück“, sind aber deutlich persönlicher und geben zwischen Zeilen auch einiges her. „Hab Blei und Silber abbekommen“ übersetze ich für mich beispielsweise mit Campinos deutsch-englischen Hintergrund (Blei = Deutschland, Silber = England). Das Zusammenspiel von Gitarre, Schlagzeug und Stimme ist wunderbar druckvoll. Gefällt mir richtig gut die Nummer.
03 WannseeDer erste „Hoppla-Moment“. Reggae-Pop-Strophen treffen Hosen-Refrain. Das Ding ist mit Verlaub ein Ohrwurm und ich finde das Wortspiel im Refrain auch in Ordnung. Ich finde aber auch, dass dies hier der erste von einigen Songs ist, bei dem man den lyrischen Einfluss von Marteria (zu) deutlich spürt. Warum am Ende ein Teppich aus Öl angezündet wird, erschließt sich mir auch irgendwie nicht. Könnte gut die nächste Single für die Sommer-Monate werden.
04 Unter den WolkenDer zweite Song mit Pop-Appeal, mit dem ich mich aber eher anfreunden kann. Neben den leichten Gitarrenklängen, die man ja spätestens seit der Ballast-Scheibe von den Hosen kennt, ist hier aber auch die Hosen-DNA zu vernehmen. Ich finde die Referenz zu Reinhard Meys Klassiker gelungen und der Song vermag es schon, die aktuelle Situation in Deutschland einzufangen. Ist nicht mein Favorit, aber insgesamt auch weit von einem Ausfall entfernt.
05 Pop & PolitikErinnert mich musikalisch an die B-Seiten während der Auswärtsspiel-Epoche. Wie „Urknall“ ist die Nummer ein deutlicher textlicher und musikalischer Kontrapunkt zum letzten Album. Ich sehe den Song auch weniger als Antwort auf die Böhmermann-Kritik, sondern eher als Reaktion auf beispielsweise die Facebook-Kommentare, die es gegeben hat, als die Hosen in der jüngeren Vergangenheit zur Unterstützung für Oxfam oder ProAysl aufgerufen haben. Dass das Lyrische Ich nach dem Mittelteil sogar in den Antwortmodus wechselt, rundet den Song für mich ab. Starke, rotzige Nummer.
06 Laune der NaturDer zweite Song mit einem Reggae-ähnlichen Einschlag. Hier bin ich aber irgendwie noch unentschlossen. Der Song bleibt sicher im Ohr hängen und ich mag es auch, dass Bläser zum Einsatz kommen. Auf der anderen Seite ist ein gewisses Nerv-Potential vorhanden und die Lyrics lassen mich noch verwirrt zurück. Wenn das der Versuch ist, in Richtung Selbstbeweihräucherung zu gehen, sollte man es einfach stecken lassen.
07 EnergieIch finde dieses „Bababababa“ für sich genommen noch gar nicht so schlimm. Katastrophal wird es erst in dem Moment, als der restliche Text dazu kommt. Kommt am Ende Selbstironie durch, wenn Campino singt „Deine Energie wie ne Melodie, los verschwende sie“? Die musikalische Grundidee hätte hier nämlich sicher mehr zugelassen. Auch Campinos aufgesetzte Schreierei bringt nichts.
08 Alles passiertOh, eine Ballade, die so auch aus New Jersey von Bon Jovi kommen könnte. Da ich diesen Klängen ja grundsätzlich nicht abgeneigt bin, gefällt mir der Song an sich ziemlich gut bis zu dem Moment als die Textzeile „Der Kopf im Boden wie Vogelstrauß“ durch die Lautsprecher kommt. Damit ist für mich die Atmosphäre des Songs dahin.
09 Die Schöne und das BiestDas Lied macht mir richtig Spaß. Eine Western-Ballade in dieser Art hat man zuvor aus Düsseldorf noch nicht gehört. Die Geschichte ist clever geschrieben und das Einstreuen der einzelnen Western-Elemente während der Songs passend. Coole Nummer.
10 Eine Handvoll ErdeMich hat dieses Lied für Jochen vom ersten Moment an abgeholt und gewinnt seitdem sogar noch dazu. Ich finde Kuddels Gitarrenspiel erstklassig und absolut passend für diesen Song. Ich muss an dieser Stelle den Hut vor Campino ziehen. Obwohl er sich mit dieser Thematik in der Vergangenheit extrem stark auseinander gesetzt hat, hat er es für mich geschafft, einen eigenständigen und ergreifenden Song zu schreiben. Die Stelle „Ein Leben ohne dich bricht an, es hilft mir, dass ich weiß / Wir gehören immer noch zusammen, uns trennt nur ein bisschen Zeit“ finde ich besonders stark.
11 Wie viele Jahre (Hasta La Muerte)Tolle Songabfolge an dieser Stelle. Wieder geht es um Vergänglichkeit, allerdings gänzlich anders verpackt. Das Riff passt und der selbstironische Text ist super. Laut, schnell, melodiegeladen. Klassischste Hosen-Nummer auf diesem Album und vermutlich ein zukünftiger Klassiker.
12 ICE nach DüsseldorfDie nächste Nummer mit einem Augenzwinkern. Finde ich sowohl textlich als auch musikalisch ansprechend und stellt eine weitere, neue Facette des Albums dar.
13 GeisterhausDie nächste Nummer, die durch Kuddels Gitarrenspiel geprägt und aufgewertet wird. Für mich kann das beschriebene Haus auch als Metapher für einen Menschen funktionieren, der sich selbst verloren hat und in Isolation lebt. Eine sowohl musikalisch als auch textlich ungemein kraftvolle Nummer, die den typischen dunkleren Hosen-Gitarrensound mit Streichern vereint. Top.
14 Lass losMusikalisch eine richtig gute Nummer und ich finde gerade die ersten Zeilen textlich sehr stark. Leider zündet der Refrain bei mir überhaupt nicht und die zweite Strophe verliert auch den Bezug zu der anfangs beschriebenen Situation und wirkt recht generisch. Kein schlechter Song, aber man hätte hier mehr rausholen können.
15 Kein Grund zur Traurigkeit (Lead Vocals: Wölli)Was soll man hierzu groß schreiben? Eine tolle Geste der Band, mit dieser ungewöhnlichen, Johnny Cash artigen Nummer Wölli zu Ehren das Album zu beenden. Vielen Dank Wölli, vielen Dank Hosen.
Das Album ist vielleicht das musikalisch vielfältigste Album, dass die Hosen je gemacht haben. Außerdem finde ich, dass gerade Breiti und Kuddel exzellente Stücke beigetragen haben. Was mir besonders gefällt, ist, dass ich in keinem Moment den Eindruck hatte, dass sie mit dem Album versuchen, den Erfolg der „Ballast der Republik“ zu kopieren.
Schwächen zeigt das Album für mich meistens dann, wenn der Einfluss von außen zu deutlich sichtbar wird und dies an recht schwachen Texten erkennbar wird. Campino liefert auf dem Album wieder einige, richtig starke Zeilen ab, aber es gibt auch einiges was sehr „leicht“ wirkt („Energie“, in Teilen „Alles passiert“ und „Lass los“). Wenn man sieht, dass eine Nummer wie „Totes Meer“ nur eine B-Seite geworden ist, wäre hier mehr möglich gewesen.
Unterm Strich bin ich mit dem neuen Album sehr zufrieden. Es klingt frisch und energiegeladen. Es gibt Lieder, die ich so nicht (mehr) erwartet hatte.
Learning English Lesson 2Keine Sorge, ich werde jetzt nicht wieder auf jeden Song eingehen, sondern auf meine Highlights eingehen. Wäre bei 21 vorliegenden Liedern auch etwas zu ausschweifend.
Vorneweg: Mir macht die Scheibe großen Spaß. Außerdem ist es für mich auch eine große Entdeckungstour, da ich nicht so sehr im Punk verwurzelt bin und rund 90 % der Songs für mich Neuland sind. Genau das hatte ich mir von diesem Zugabe-Album erhofft.
Die Sektion von „Flying Saucer Attack“ bis „Lookin‘ after No. 1“ ist für mich der stärkste Part des Albums. Ich finde bei „Flying Saucer Attack“ harmoniert Campino mit der weiblichen Stimme sehr gut und dieser Punk-Song mit wahnsinnigen Pop-Appeal ist großartig. „Where have all the boot boys gone“ hat diesen Boogie-Gitarrensound, bei dem man einfach die Füße nicht stillhalten kann. „Sonic Reducer“ ist so schön rotzig, dass es eine Freude ist. Es kommt exakt die Energie rüber, die auch die Live-Versionen versprochen haben. „Lookin‘ after No. 1“ steht stellvertretend für die Gleichung dieses Albums: Laut + schnell + hoch melodisch = Fantastisch. Bei „Harmony in my head“ ist der Titel Programm, was ein toller Pop-Refrain. Die Nummer dieser „Pasty Faces“ ist übrigens auch gar nicht so übel.
Janet und John machen den Job als Sprecher-Paar natürlich auch wieder sehr souverän.