So, liebe Freunde des gepflegten Musik-Entertainments, nach etlichen Wochen und Monaten des Konzert-Rezensionen-Lesens war es gestern Zeit, sich ein eigenes Bild zu verschaffen.
Es wurde und wird ja viel geschrieben über die doch vorhandene Enttäuschung über die fehlende Flexibilität der Setlists seit dem Tourbeginn im Februar. Auch sahen sich viele von ihrem Idol und Lieblingskünstler (beginnend mit dem Vorverkauf) getäuscht und er selbst hat durch sein konsequentes Schweigen bzw. unbedarfte Äußerungen (wenn man sein Lachen an der „falschen Stelle“ im Interview zum Thema „dynamic pricing“ so deuten möchte) nichts zur Beruhigung der Lage beigetragen.
Insofern gab es Zweifel, ob das alles so funktionieren kann, wenn man zu Konzertbeginn den Drehplan schon kennt.
Nach der gestrigen Erfahrung kann ich allen, die noch vor ihrem ersten Konzerterlebnis der diesjährigen Tour stehen (und auch ruhig den anderen), beruhigt entgegenrufen: JA, es funktioniert!
Lasst euch einfach darauf ein!
Selbst wenn seine Spiellaune vorgetäuscht sein sollte – spätestens seit dem „Broadway“ wissen wir um seine Schauspielkünste – so habe ich mich gerne ver- und vorführen lassen.
Zu keinem Zeitpunkt während des Konzerts hatte ich das Gefühl, dass hier jemand nur sein Programm „abspult“. Die Band und er vermitteln einem glaubhaft das Gefühl, dass sie hier und heute Abend ihr Bestes geben wollen und die Menschen einfach nur unterhalten wollen (o. k., ein bisschen „message“ ist natürlich auch dabei).
Wenn man dann noch das Alter der meisten Bandmitglieder und des Frontman mit ins Kalkül zieht, muss man feststellen: „Respekt!“.
Natürlich sitzt der ein oder andere Ton nicht immer an der richtigen Stelle und die Textzeilen in „Ghosts“, die mit „I'm alive…“ beginnen, sind (momentan) für Bruce eher ein klassisches Eigentor.
Dem scheint er sich aber durchaus bewusst zu sein und dafür passt’s bei anderen Songs wie eh und je.
Die „Nightshift“-Version kann man auch in einem Stadion an einem lauen Sommerabend (und Landgraaf war gestern „sehr, sehr lau“) prima hören, „Candy’s room“ ist erfrischend kurz gehalten und „Kitty’s back“ (beileibe nicht mein Lieblingssong) ist o. k., da jeder seinen Part bekommt und sein musikalisches Können zeigen kann. Dieser Song scheint für Bruce einfach in sein Konzept der diesjährigen Tour (= für mich eine Retrospektive seines musikalischen Werkes aus fünf Jahrzehnten) zu passen.
A propos:
Ich weiß ja nicht, welche „Mundharmonika“-Marke Bruce so bläst, aber diese muss sich erst einmal keine Sorgen um ihre Zukunft machen.
Bruce hat einen immensen Verbrauch pro Abend – gestern waren es drei oder vier, die er verschenkt hat und damit gerade die jüngsten seiner Besucher unendlich glücklich gemacht hat.
(übrigens eine Tendenz, die wir ja zunächst nur aus den Fußballstadien kannten, die aber jetzt auch vor den Konzertbühnen um sich greift: Bettelbriefe)
Und natürlich waren die äußeren Umstände dazu mehr als geeignet, es zu einem tollen persönlichen Erlebnis werden zu lassen:
Auch wenn es im Vorverkauf nicht zum „Golden Circle“ gereicht hat, war der Stehplatz - dank frühen Erscheinens – direkt an der Abgrenzung hinter dem Pit in der zweiten Reihe ein Glücksfall.
Die Begleitung durch die beste Tochter der Welt – die beste Ehefrau der Welt hatte nachvollziehbarer Weise auf 7,5 Stunden Stehen dankend verzichtet – war ein riesengroßes Geschenk, für das ich – angesichts manch dunkler Stunde in letzter Zeit – unendlich dankbar bin (sowohl irdischen als auch überirdischen Mächten).
Und – um zum Anfang zurück zu kommen: JA, wenn sich unsere Planungen realisieren lassen, werde ich dieses Konzert auch gerne ein zweites und drittes Mal anschauen und auch genießen.
Bei den geplanten Nummern vier und fünf schauen wir einfach mal - ich bin da aber vorsichtig optimistisch!