Alle Jahre wieder...
Bisher wollte ich mich auch eisern raushalten und hab eher sporadisch und quer in diesen Thread reingelesen, aber nun möchte ich doch ein bisschen auf meine Erfahrungen eingehen:
Prinzipiell bin ich ein Befürwörter des Prinzips:
First come, first serve. Daher kann ich persönlich der Lotterie wenig abgewinnen. Die ursprüngliche Idee des Roll Calls (so wie sie mir mal ganz zu Anfang vor meinem ersten Bruce Konzert erklärt wurde) find ich nachvollziehbar und fair:
Die Nummernreihenfolge spiegelt die Ankunftsreihenfolge der 'Wartenden' am Veranstaltungsort wider und soll einen geregelten Einlass garantieren, indem nach Nummern kontrolliert wird. Zudem soll der Roll Call die 'Warteprozedur' lediglich erleichtern, indem es gestattet ist, sich 'mal' vom Stadion für kurze Zeit zu entfernen, um ein paar Grundbedürfnissen (z.B. Toilettengang) nachzugehen, ohne einen Verlust des Platzes in der Warteschlange zu befürchten. Dieser Logik zu Folge unterstützt der Roll Call das Warten. Das ist die Idee. Leider sieht die Realität anders aus und daher kann ich die Kritik an der Prozedur voll und ganz nachvollziehen und bevorzuge persönlich auch einen normalen Einlass ohne Nummern wie bei anderen Künstlern.
Nach meiner Erfahrung der letzten Jahre hat sich der Roll Call immer mehr zu einem '
Reservierungssystem' entwickelt, das oft schon ganz unabhängig vom 'Warten' abläuft. Dazu einige Beispiele:
2007/2008: Bei meinem ersten Konzert gab es stündliche Roll Calls. Ich bin erst am Konzerttag (morgens) angekommen und habe Nummer 43 bekommen. Ein paar hartgesottene haben die Nacht vorm Stadion verbracht.
Während der nächsten Konzerte im Sommer 2008 bin ich oftmals am Vorabend angereist und habe im Durchschnitt eine Nummer unter 50 bekommen. Oftmals war ich sogar bei den ersten 20 Leuten dabei. Viele haben im Zelt übernachtet.
In London gab es dann die ersten Diskussionen, ob man das ganze denn nicht 'vermenschlichen' könnte und auch im Hotel schlafen darf, ohne die Nummer zu 'verlieren'. Es gab eine lange Diskussion und schliesslich wurde ein Kompromiss zwischen beiden Parteien gefunden. In den darauffolgenden Konzerten wurden Hotelübernachtungen überall als Teil des Wartens geduldet, solange man lediglich zu den Nacht-Roll-Calls auftauchte, die in diesem Jahr noch häufiger stattfanden.
2009: Immer öfter gab es bei den Konzerten Diskussionen, ob man sich denn nicht länger als im 2-3 Stunden Takt vom Stadion entfernen könnte...besonders wenn der eigentliche Konzerttag noch nicht begonnen hat. So gab es dann immer öfters Roll Calls, die nur ein paar mal täglich stattfanden.
Gutes Beispiel war Stockholm 2009 nach der zweiten Show: Erster Roll Call um 6 Uhr morgens, der darauf folgende um 19 Uhr abends...ich empfand das sehr unfair und habe mich dagegen gestellt. Unsere Minderheit wurde aber leider mit dem Argument übertrumpft, dass das Warten nicht zur 'Folter' ausarten sollte.
Nacht-Roll-Calls gab es während der Tour kaum, dafür hatte man ausgiebig Zeit zum Sightseeing an den Tagen vor der Show. Ich bin häufig immer noch am Vorabend aufgetaucht, musste aber auch häufig Nummern um die 100 einstecken.
2012/2013: Auf Versuche Roll Call Zeiten wieder etwas strenger zu gestalten (z.B. durch Nacht-Roll-Calls oder Roll Calls morgens um 5 Uhr) folgen heftige Diskussionen. Manche werden sogar ausfallend und wollen einen entweder mit Geld bestechen oder drohen einem. Roll Call Zeiten aller 4-8 Stunden an den Vortagen sind Normalität. Am Vorabend erscheinen und eine Nummer unter 100 erhalten ist oft kaum noch denkbar. Meistens nehme ich mir 2-3 Tage vor der Show frei. In London hat das trotzdem nur für Nummer 42 gereicht (3 Tage vor der Show!).
In München hat man sogar applaudiert, als der Roll Call mal für mehr als 12 Stunden ausgesetzt wurde, aufgrund des Champion League Finales.
In Coventry stand ein Junge vor mir auf der Liste, den ich zu keinen Zeiten am Stadion gesehen habe...auf Nachfragen wurde mir erklärt, dass er ja Schule hätte und daher 'entschuldigt' sei.
Immer öfter befindet sich nachts gar keiner mehr am Stadion...nicht einmal die Listenführer. Statdessen hängen Telefonnummern aus, bei denen man sich per SMS eintragen kann. Ehrlich gesagt ist die 'Online-Roll-Call' Reservierung nicht mehr weit entfernt...
Mit den geschilderten Beobachtungen im Hinterkopf kann ich jeden verstehen, der morgens um 6 Uhr ans Stadion kommt, sich nicht mehr entfernt und dann ganz überrascht und verärgert auf den Nummern-Massenauflauf um 9 Uhr reagiert. Ich finde auch, dass das Argument 'Ich habe hier ja schon 3 Tage
gewartet' nicht mehr wirklich zählt, da bei den derzeitigen Shows das 'Warten' in der Regel eigentlich nur folgendes beinhaltet: 2-3 tägliche Stadionbesuche (zum jeweiligen Roll Call) bei denen man jeweils ca. 5-10 Minuten vor dem Stadion verbringt. Da kommt man dann im Schnitt nicht mehr als auf eine Stunde 'pure' Wartezeit (auch wenn man dann meint, man hätte ja 3 Tage 'angestanden'.
Es ist leider so, dass (besonders an den Vortagen) die meisten Leute nur zu den Roll Calls erscheinen. Selbst am Konzerttag wird teilweise schon gejammert, dass man ja schon ab 14 Uhr nachmittags nicht mehr weggehen dürfte. In diesem Zusammenhang ist auch seltsam zu sehen, dass die Leute, für die es leider keine Nummern mehr gibt (wie z.B. bei den gut besuchten Shows in Stockholm) zum Teil mehr Wartezeit vor den Toren verbringen, als die Leute mit Nummern.
Am Anfang war es so, dass der Roll Call an sich für mich eigentlich fair wirkte, aber leider die Abschlussdurchführung beim Einlass von der Stadionsecurity nicht unterstützt wurde. Daher hat das Ganze eigentlich dann nur zum Schluss keinen Sinn mehr gemacht, wie beispielsweise HH 2008 gezeigt hat, wo die Tore auf der einen Seite eher aufgemacht wurden.
Mittlerweile wird der Einlass durch die Springsteen-Security (insbesondere Graham) sehr gut geregelt und eigentlich bestätigt ein gut geregelter Einlass, bei dem man geordnet und langsam ins Stadion 'geht' meine Meinung, dass das Nummern-Prinzip eigentlich nicht schlecht ist - besonders in Anbetracht des chaotischen Einlasses (ohne Beachtung der Nummern) an den B-C Toren im Wembley-Stadion, wo ich mehrere Leute die Treppen runterstürzen sehen habe und ich aus dem Weg geschubst und fast von einem Absperrgitter durch die Wucht der wilden Fanmasse erdrückt wurde.
Der Einlass an sich läuft nun grösstenteils sehr sicher und ruhig ab, aber leider ist der Roll Call an sich für mich nicht mehr fair und hat für mich immer weniger mit
First come, first serve zu tun.
Am Anfang habe ich noch mehr versucht dagegen anzukämpfen und habe mich bei den Roll Call Diskussionen munter beteiligt, aber leider ist die Gruppe der Fans, die 'lockere' Roll Call Zeiten bevorzugt, in der klaren Mehrheit. In diesem Zusammenhang möchte ich auch mal erwähnen (weil ich hier öfter von den 'Edel-Hardcore-Fans' lese, die sich das anscheinend nach Belieben selbst aussuchen), dass diese lockeren Zeiten eigentlich selten von den Leuten ausgehen, die immer vorne dabei sein wollen. Für die meisten, die ich kenne (ja, das sind zum grösstenteil 'Die Hard Fans', das gebe ich zu), ist das jetztige Roll Call Verfahren viel zu stressig und total unbefriedigend. Man muss sich immer mehr frei nehmen für nichts eigentlich...ich bin z.B. nicht nach München gereist, um das Sch***-Fussballspiel zu sehen und hätte die Zeit lieber richtig gewartet. Aber leider gibt es immer mehr Leute, die alles zur gleichen Zeit wollen: Sightseeing, Fussball und erste Reihe und das sind in der Regel bzw. meiner Erfahrung nach nicht (nur) die Hardcore-Fans, sondern die Leute mit viel Zeit oder die zufällig nah am Stadion wohnen...diese Leute gewinnen besonders durch das derzeitige Roll Call Verfahren.
Leider gibt es bei den jetzigen Roll Calls auch so viele Mogeleien, dass man sich auch wirklich fragen kann, ob das Prinzip an sich noch fairer ist, als ein normaler Einlass, bei dem sich vielleicht der eine oder andere, der erst kurz vor Einlass am Stadion erschienen ist, in die vorderen Reihen reinmogelt...so oft habe ich Namen auf der Liste gesehen, die erst nach mir vor Ort angekommen sind...von daher meide ich persönlich auch spanische Shows, weil die oft mal glatt den ganzen Freundeskreis aufschreiben und dann nur Roll Calls ein mal täglich durchführen.
Ich bin für das Warten vorm Stadion, wenn man ganz vorne dabei sein möchte. Finde aber auch, dass es ein richtiges Warten sein sollte, d.h. man sollte bereit sein, Sightseeing und andere Events (z.B. Champions League) dem Anstehen für die erste Reihe bei Springsteen zu opfern. Leider unterstützt der jetzige Roll Call das Prinzip des Wartens nicht mehr wirklich, daher finde ich die ganze Sache zwecklos. Schade, dass man sich dem allerdings jedesmal unterziehen muss, wenn man in der ersten Reihe enden will - auch als 'Front-Row-Junkie' kann man dem nicht entgehen, auch wenn viele das gerne würden. Es ist nicht so, dass die Mehrheit der Die-Hard Fans die jetzigen Roll Calls ganz toll findet und sich das nach Belieben selber locker gestaltet, so wie das hier oftmals dargestellt wird. Meistens gibt es vor Ort viele unterschiedliche Meinungen und Diskussionen aller Beteiligten.