Habe das Buch gestern endlich zu Ende gelesen. Hier meine Amazon-Rezension (4 Sterne):
Habe etwas mehr erwartet, aber OKAls würde es nicht längst genügend Bücher und Biographien über Bruce Springsteen geben, hat Peter Ames Carlin nun auch noch eine geschrieben. Um das Fazit vorwegzunehmen: Ich habe mir schon - nach all den Ankündigungen - etwas mehr, vor allem mehr Insiderwissen erwartet. Wer die Bücher insbesondere vom "Haus-Berichterstatter" Dave Marsh kennt (Glory Days, Two Hearts), von Rob Kirckpatrick (Magic in the Night), David Masur (Born to Run) oder Racing in the Street von June Skinner Sawyers wird nicht allzu viel Neues erfahren, zumal gerade die jüngsten Alben und insgesamt die Zeit ab 1990 auch bei Carlin nur sehr dürftig abgebildet werden. Natürlich sind die 70er und 80er die kommerziell erfolgreichsten für Springsteen gewesen. Allerdings war Bruce seit der Reunion so produktiv wie nie zuvor, hat mit The Rising sein vielleicht wichtigstes Album gemacht und war politisch aktiv wie nie. Dennoch wird dieses Jahrzehnt auf gerade mal 60 Seiten beschrieben. Wer dagegen noch nichts über Bruce Springsteen gelesen hat, kann gerne auf Carlins Buch zurückgreifen, denn es ist sicherlich - alleine aufgrund des Erscheinungszeitpunkts - das bisher Vollständigste.
Worin unterscheidet sich nun diese Biographie von den vielen anderen? Vor allem darin, dass Carlin Zugang zu allen Bandmitgliedern und weiteren Mitgliedern des Springsteen-Landau-Clans hatte. Und genau hier habe ich mir doch viel mehr erwartet. Die Originalzitate der Bandmitglieder passen insgesamt vielleicht auf zwei, drei Seiten. Wer geglaubt hat, mehr Infos über das Privatleben von BS zu bekommen, sieht sich ebenfalls getäuscht. Vieles bleibt im Vagen, so z. B. auch die seinerzeit ganz große Tratsch-Story über Bruces erste Ehe mit Juliane Philipps. JP hat sich wohl vertraglich verpflichtet, für alle Male Näheres über die kurze Ehe zwischen 1985 und 1987 auszuplaudern (was für sie spricht). Stattdessen nimmt Bruce die ganze Schuld am Scheitern der Ehe auf sich (was für ihn spricht). Ansonsten gibt es auch nicht viel Tratsch. Wer auf solche Dinge Wert legt, sollte sich weiter an Christopher Sandfords "Point Blank" bzw. "Die Rockstimme Amerikas" (deutscher Titel) halten. Bei Carlin bekommt der Leser dafür etwas mehr Einblicke in die Gefühlslage der E Street Band-Member, als sie seinerzeit 1988 gefeuert wurden. Obwohl eigentlich alle den Schritt aus künstlerischer Sicht nachvollziehen konnten, hat das bei dem einen oder anderen doch viel tiefere Wunden hinterlassen als bisher gedacht. Auch die Reunion 1999 war alles andere als harmonisch und es stand bis zuletzt auf der Kippe, ob sie überhaupt zustande kommen würde, zumal Bruce auch nicht so richtig wollte und einige Bandmitglieder trotzig erst mal ihre Gefolgschaft verweigerten, zumal ja auch nicht alle wirklich auf das Geld angewiesen waren.
Ganz interessant und für mich auch neu waren die Beschreibungen der ganz jungen Jahre von Bruce, die allerdings sehr ausführlich beschrieben werden. Z. B. wusste ich bis dato nicht (oder nicht mehr), dass Bruce mehr oder weniger von seinen Großeltern - vaterseits - erzogen wurde, als er noch ein Kleinkind war.
Was lernt man noch Neues? Dass Little Steven immer einen etwas anderen Musikgeschmack hat als Bruce, ist hinlänglich bekannt. Dennoch war und ist Steve van Zandt der zusammen mit Jon Landau wichtigste Berater für Bruce. Ach ja: Der perfekte und für Steve beste Bruce-Song ist ..... The Little Things (My Baby Does)!
, der es erst auf das Outtake-Album "The Promise" geschafft hat. Interessant auch die Gründe, weshalb Steve 1984 die E Street Band verlassen hat, u.a. weil ihm die Richtung, die Bruce mit dem Album Born in the USA eingeschlagen hat, nicht ganz gepasst hat und er sich nicht hinreichend gewürdigt gefühlt hat. Es war wohl kein richtiger Streit zwischen den beiden, allerdings auch längst nicht so harmonisch wie man bisher vermuten konnte. Die für mich als Fan durchaus interessante Frage, ob es in dem Song "Bobby Jean" wirklich um Steve geht, bleibt dagegen unbeantwortet. Selbst Little Steven kennt die Antwort (bis Sommer 2011) nicht: "We`ve never talked about it, to this day."
Wirklich einzigartig sind dagegen einige Bilder, die zum Teil aus dem Privatarchiv der Familie Springsteen stammen. Hier sieht man Bruce u.a. als Dreijährigen
. Dann wiederum gibt es aber auch Bilder, die längst bekannt sind.
Wer, wie ich, einfach alles über Springsteen lesen MUSS, sollte auch "Bruce" lesen. Wer sich davon aber wesentlich Neues erhofft, kann sicher darauf verzichten, vor allem, wenn man zuvor schon andere Bruce-Biographien gelesen hat. Dass Bruce ein Workaholic ist, der mindestens immer ein komplettes Album in der Tasche hat, dass Bruce wie ein Besessener arbeitet, weiß jeder Fan, der Bruce schon mal live gesehen hat. Einblicke in die Arbeitsweise bekommt man auch, allerdings sind die auch nicht sooo neu, wenn man die Filme über die Entstehung von Born to Run und Darkness on the Edge of Town kennt.
Wer der englischen Sprache nicht ganz so mächtig ist, kann auf die deutsche Version warten, die im Mai auf den Markt kommen soll. Insgesamt ist das Buch aber in einem leicht verständlichen Englisch geschrieben.
Noch ein Wort zum Cover-Photo, das m. W. aus dem Jahr 1992 stammt: Schaue ich auf mein Bruce-Regal mit all den Platten-Covern und Bücherumschlagsphotos frage ich mich doch, ob es auch mal möglich ist, Bruce nicht ganz so nachdenklich und traurig abzubilden. Jeder, der schon mal einen Springsteen auf der Bühne gesehen hat, weiß doch um die Ernsthaftigkeit seiner Songs, kennt aber auch den ausgelassen feiernden Party-Bruce. Solch ein Cover-Photo würde ich mir mal wünschen.