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BeitragVerfasst: 02.03.2012 18:11 
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Tramp69 hat geschrieben:
Glaub mir, auch Land of Hope and Dreams wird mit jedem mal besser. Habe mich sogar an die Drum-Loops einigermaßen gewöhnt. Und die Trompeten? Ich find sie klasse! Aber ich war ja eh einer von den Horn-Section-Befürwortern. :wink:


Ich finde LOHAD in dieser Version auch klasse, nach 3 Hörgängen bin ich auf eine spezielle Weise von dem Album fasziniert, kann es gar nicht richtig beschreiben. Alles was mich Vorwege erschaudern lies, passt zu den Stücken, die Bläser nerven mich nicht, die Geigen ebenso nicht, Aniello´s Produktion passt auch. Das Album wächst, es macht Spaß,.....hoffentlich denke ich nach der ersten Euphorie in einer Woche auch noch so. Hinzu kommt, dass "We´re alive" richtig gut als Untermalung einer Abschlusszene in nem Tarantino Streifen passen würde. Ein Haufen Gangster in schicken Anzügen ballern sich an der mexikanischen Grenze gegenseitig ins Jenseits und vor dem Abspann setzt der Song ein :D

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 18:24 
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Tramp69 hat geschrieben:
Glaub mir, auch Land of Hope and Dreams wird mit jedem mal besser. Habe mich sogar an die Drum-Loops einigermaßen gewöhnt. Und die Trompeten? Ich find sie klasse! Aber ich war ja eh einer von den Horn-Section-Befürwortern. :wink:

Noch favorisiere ich die "alte" Version ... die Drum-Loops finde ich irgendwie überflüssig.

Gerade gesehen, dass mir Rocky Ground beim beschriebenen Ersteindruck abhanden gekommen ist. Zwar sicherlich der innovativste Song des Albums aber ... vom wegklick-Song (1. Eindruck) hat er es mittlerweile immerhin schon zu "ich muss ihm noch Zeit geben" geschafft. Aber so richtig warm werde ich mit dem Teil einfach (noch) nicht ...

Na mal sehen, wie sich das Album über die nächsten Tage weiterentwickelt.

Jetzt muss ich mich für "Massendefekt" fit machen ... :mrgreen:

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 18:29 
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Darkness666 hat geschrieben:
Jetzt muss ich mich für "Massendefekt" fit machen ... :mrgreen:


Ich auch 8)

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 18:51 
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Darkness666 hat geschrieben:
Da ist er zusammen mit den Dropkick Murphys und Gaslight Anthem auf der Bühne, und davon bleibt nichts hängen? Hhmm ...


Puhh, zum Glück, ich fand "Gaslight Anthem" live nämlich alles andere als gut vor 1 1/2 Jahren hier in Köln. Und auf den drei Alben muss man auch nach Perlen suchen, und selbst dann bekomme ich gerade einmal 10 Songs raus die ich mir anhören mag.... der Rest ist irgendwie verschrammelte Massenware ohne Tiefgang

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 20:31 
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Ist "Rocky Ground" von der Musik her denn nun SOOO viel anders als z. B. "Streets Of Philadelphia"?

Den Zusammenhang von "You've Got It" zum BITUSA-Album, der hier angesprochen wurde, kann ich ehrlich gesagt überhaupt nicht erkennen. Dafür tönt der Song doch viel zu "organisch" und viel zu wenig blutleer. Die Slide-Gitarre(n) bei dem Song finde ich großartig. Das hätte ich gerne schon viel öfter mal in seinen Songs untergebracht gehabt. 8) ... Ich hätte dem Album aber eindeutig einen bemerkenswerteren Abschluss gewünscht, als gerade "We Are Alive". Dieses "Giddyup-Wir-machen-jetzt-mal-Country"-Ding ist mir da echt zu läppsch geraten. Ich kann den Song irgendwie gar nicht ernst nehmen. :?

Ansonsten gibt es auf dem Album aber viel, viel Gutes zu entdecken. Ich mag es sehr. :thumbs1

BTW: Ich würde ja echt gerne mal ein Review von NoneButTheBrave zu dem Album lesen. ;) ... Ist der überhaupt noch hier?


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 20:33 
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Gestern kam sie an und wurde von mir 2x gehört! Das erste Mal schön auf Platte (schön schlicht aufgemachte Doppelvinyl; schwere Pressung) und das zweite Mal auf der Bonus CD im Auto auf dem Weg zum Sport!
Ich finde das Album absolut super! Kenne ja nicht die Welt an Springsteen Alben (und nur The rising aus den 2000ern) aber mich schockt das Album an!
Meine absoluten Tops sind: Shackled and drawn, Wrecking ball und vor allem Rocky ground. Letzteres ein sehr depressives aber zum Ende hin explodierendes Stück! Einfach genial! Werde es mir morgen nach der Arbeit wieder auf den Plattenteller schmeißen!

Finde nur, als einzigen Wermutstropfen, dass man bei der "spärlich bepressten" Doppel LP locker die Bonustracks hätte mit raufbringen können! Und dass sie dann nicht mal auf der Bonus CD mit enthalten sind empfinde ich schon als Frechheit! :(


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 21:12 
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Das Album ist auffällig zweigeteilt: die erste Hälfte erzählt davon, wie unterschiedliche Charaktere/Menschen mit der Krise umgehen und sie interpretieren, die zweite Hälfte ist sehr spirituell, die die aktuellen Ereignisse, auf denen die erste Hälfte basiert, in einen allgemeineren Zusammenhang stellt.

We Take Care Of Our Own dient als Einleitung, es stellt die Folgen der Wirtschafts- und Bankenkrise in Kontext zu den Idealen, auf denen Amerika sich gegründet hat, die aber in schöner Regelmäßigkeit an der Realität scheitern.

Easy Money handelt von dem einfachen, nicht sehr gebildeten Menschen, ein Bewohner in den Vororten Amerikas vielleicht, mit Hund und Katze und kleinem Häuschen, dessen Welt mit der Krise zusammengebrochen ist, der vielleicht kurz davor ist, sein Haus zu verlieren, der die Zusammenhänge der Krise nicht versteht, aber überzeugt ist, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten. Seine Kritik an den Bänkern und Spekulanten, die in den darauffolgenden Liedern so entscheidend wird, ist kaum spürbar, vielmehr nimmt er sich das Recht heraus, ebenso handeln zu dürfen. Und weil er nun mal selbst kein Bänker ist und nicht die Möglichkeiten der Topmanager hat, macht er es auf seine Weise: er geht auf einen bewaffneten Raubzug in die Stadt. Die Pointe von dem Lied ist dabei natürlich nicht, dass der Kerl zu dumm oder ungebildet ist, um die Zusammenhänge der Krise zu erkennen und warum er (möglicherweise) sein Häuschen im Vorort verliert, sondern dass die Arbeit der Bänker, Spekulanten und Manager mit Raubzügen gleichgesetzt wird.

Shackled and Drawn lehnt sich textlich stark an Arbeiterklasselieder im Stile von Woody Guthrie an, während die Musik aus Irish Folk, Gospel und Chain-Gang-Songs zusammengebastelt ist. Letzterer Einfluss soll musikalisch den Zwang und die Unterdrückung des einfachen Arbeiters herausstellen, der in seinem Schicksal gefangen ist. Verantwortlich werden auch hier wie so oft auf dem Album die Bänker gemacht, denen es immer noch gut geht, während die einfachen Leute leiden. Der Grundtenor ist aber ein völlig anderer. Nicht zufällig gibt es die Anspielung auf einen berühmten griechischen Mythos, dem des Sisyphos nämlich: Pick up the rock, son, and carry it on. Sisyphos soll von den Göttern als Strafe die Aufgabe bekommen haben, einen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen. Oben angekommen, rollt der Fels wieder herunter und er muss von vorne anfangen - bis in alle Ewigkeit. Im übertragenen Sinn nennt man heute eine sich ständig wiederholende, nie endende, nutzlose Arbeit "Sisyphos-Arbeit". Das Lied handelt von den Menschen, die mit harter Arbeit den Wohlstand eines Landes erwirtschaften und dennoch arm bleiben, die den Felsen wieder und wieder den Hügel raufschleppen, nur um dann wieder von vorne anfangen zu müssen.

Wieso aber ist das Lied so fröhlich? Der Sisyphos-Mythos hat auch zu anderen Interpretation angeregt. Beispielsweise dazu, dass Sisyphos dadurch, dass er sein Schicksal annimmt, triumphiert. Albert Camus schloss seine Ausführungen über Sisyphos mit der berühmtgeworden, auf dem ersten Blick unsinnigen Schlussfolgerung: "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen".

Wem Camus zu intellektuell ist, der kann sich auch an Al Bundy halten, der auf die Feststellung der Schulbibliothekarin seiner alten Schule, er sei der Verlierer geworden, wie sie es ihm immer prophezeit hatte, haarklein aufzählt, warum sein Leben eine solche Katastrophe ist, dann aber doch zu der Schlussfolgerung kommt, dass er dennoch ein Sieger ist, weil er sich "trotzdem keine Kanone in den Mund" steckt. "What's a poor boy to do but keep singing this song", wenn einem nichts anderes geblieben ist außer einem Lied, sollte man es vielleicht einfach singen.

Mit Jack Of All Trades lernen wir einen Gelegenheitsarbeiter kennen, der symbolisch natürlich auch wieder für die Arbeiterschicht an sich steht. Bedeutenster Unterschied zu den beiden vorangegangen Liedern ist hier die erstmals aufkommende Hoffnung auf Veränderung. "We'll start caring for each other" oder "There'a new world coming". Gleichzeitig wird auch ein Motiv aufgenommen, das schon in Shackled & Drawn leicht anklang und vor allem in Wrecking Ball wieder aufgegriffen wird: Geschichte wiederholt sich ständig, was einmal geschehen ist, wird wieder geschehen. Darin steckt aber auch Hoffnung, denn "we stood the drought, now we'll stand the flood". Wir haben die Dürre überstanden, also werden wir jetzt auch die Flut überstehen.

Am Ende steht ein Satz, der wie ein Stilbruch zum übrigen Text wirkt: "If I had me a gun, I'd find the bastards and shoot'em sight". Eben noch die Hoffnung auf das Neue, den anbrechenden Tag, die neue Welt, jetzt der Wunsch nach Selbstjustiz? Nicht wirklich, der Konjunktiv "If I had me a gun" deutet daraufhin, dass er sie eben nicht hat, womit die Bedeutung dieses Satzes wohl eher in die Richtung "Wenn ich die Möglichkeiten hätte, würde ich etwas tun (aber ich habe sie nicht)" geht. So bleibt nur das Warten auf die neue Welt.

Natürlich könnte der letzte Satz auch als Einleitung zu Death To My Hometown verstanden werden. Hier klingt tatsächlich so etwas wie Selbstjustiz an, auch durch den Soundeffekt gegen Ende des Liedes, das Durchladen und Abfeuern einer Pumpgun. Tatsächlich ruft das Lied zum Handeln auf, sich zu wehren. Hier ist kein Einzelschicksal mehr beschrieben, sondern das einer ganzen Gemeinschaft, die zerstört wurde, wie es sonst nur in Kriegen geschieht. Die Schuldigen sind auch hier dieselben, ihre Verbrechen sind ungesühnt. Es ist der Aufruf diese Ungerechtigkeit nicht hinzunehmen, sich vorzubereiten, bereit zu sein, wenn sie wieder kommen (und sie werden wiederkommen - das Motiv der sich wiederholenden Geschichte).

This Depression schließt den ersten Teil des Albums ab. Es ist ein Lied über Durchhaltewillen und Hoffnung. Im Unterschied zu den vorangegangen Liedern wird hier niemanden die Schuld für das eigene Schicksal zugewiesen. Es ist einfach nur eine Situationsbeschreibung, die mit Hoffnung endet: "Now the morning sun is breaking". Die Metapher von der Nacht, die in den Tag übergeht, ist zweierlei: zum einen ist es wieder das Motiv der sich wiederholenden Geschichte, denn Tag und Nacht wechseln sich immer ab. Entscheidender ist aber, dass diese Zeile in den zweiten Teil des Albums überleitet, vom wütend Politischen geht es nun in das Hoffnungsvolle und Spirituelle über.

Wrecking Ball handelt von der Zerstörung und dem Wiederaufbau. Davon, dass Dinge enden müssen, um neu entstehen zu können. Der Kreislauf wird wieder angesprochen: "hard times come/and hard times go". Es ist die Geschichte vom Werden und Vergehen. Deshalb sind auch "all die Toten hier", was sehr beunruhigend wäre, ginge es nur um den Abriss eines Footballstadions. Es ist ein Vorgriff auf We Are Alive. Das, was vergangen ist, ist ein Teil von uns.

You've got it wirkt etwas deplatziert und bietet textlich auch nicht viel. Es wirkt ein bisschen wie ein Rätsel: was ist "es"? Die einfache Antwort "Liebe" ist dann aber wohl doch etwas zu einfach. Man könnte es als Metapher auf die Dinge, die man mit Geld nicht kaufen kann, sehen und damit als Gegenentwurf zu der globalen Geldwirtschaft. Die Erkenntnis, dass es Wichtigeres gibt als Geld.

Rocky Ground ist durchzogen von biblischen Anspielungen. Schäfer erheben sich, Sterne vergehen, vierzig Tage und Nächte von Regen, Kanaan, der Jüngste Tag, es geht um schwere Zeiten, um Gerechtigkeit, auf die vergebens gewartet wurde. Die Einordnung fällt schwer, aber die Metapher vom Schäfer, dem die Herde abhanden gekommen ist, lässt mich zumindest vermuten, dass Rocky Ground das eine Lied ist, das von der anderen Seite aus geschrieben ist. Bänker, Manager, aber auch Politiker als Schäfer, die eines morgens ohne Herde aufwachen. Die Herde sind die einfachen Leute, die sich von ihren Führern abgewandt haben und auf dem Weg in ein gelobtes Land sind, der Refrain als das Echo dieser Menschen, das noch zu dem dringt, der glaubte, sie führen zu können oder zu müssen. Man kann es natürlich auch als Aufruf an den "Schäfer" sehen, seine Herde zusammenzurufen und ins Gelobte Land zu führen, im Kontext des Albums also eine Aufforderung an die politischen Führer, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Land of Hope and Dreams wechselt dann unmittelbar zu den Menschen, die in Rocky Ground verschwunden sind. Dass das Land der Hoffnung und Träume an biblische Mythen vom Gelobten Land erinnert, war schon früher deutlich. Durch den Tod Clarence Clemons wird das aber jetzt noch konkreter. Früher konnte man es als Metapher auf Freundschaft, Gemeinschaft und dem Leben an sich sehen, jetzt ist es auch ganz konkret eine spirituelle Reise geworden, das gemeinsame Schicksal aller Lebenden und Toten. Im Kontext des Albums funktioniert es gleichzeitig trotzdem noch, ist es doch auch das Versprechen einer besseren Welt, die anbricht, wenn "all this darkness past".

We Are Alive greift als Abschluss des regulären Albums noch einmal das Motiv der sich wiederholende Geschichte auf. Wrecking Ball handelte von der Zerstörung, We Are Alive von der Auferstehung. Was in Wrecking Ball unerklärt als "Tonight all the dead are here" im Raum stehen blieb, wird hier aufgelöst: die Toten und ihr Schicksal sind immer bei uns. Sie sprechen zu uns, wenn wir zuhören, erzählen davon, dass der Tod nur eine Illusion ist.

Geht es hier noch um die Bankenkrise und das Schicksal des einfachen Mannes? Nein, in der zweiten Hälfte entwickelt sich das Album zu etwas sehr viel tieferen, subtileren, beständigerem. Von der stetigen Hoffnung auf eine bessere Welt.

Darf Swallowed Up als Bonus Track zum Album zählen? Es scheint zumindest an dieser Stelle nicht ganz passend. Auf das Album passt es aber sehr wohl.

Zunächst spielt es eindeutig auf das Buch Jona an. Jona wird nach einem Sturm von der Mannschaft des Schiffes als Schuldiger entlarvt, weil er den Zorn Gottes hervorgerufen hat. Jona wird über Bord geworfen und von einem Wal verschlungen. Nach drei Tagen Betens wird er wieder ausgespien.

Interessant sind bei dem Lied nun zwei Dinge: zum einen, dass es größtenteils im Plural geschrieben ist: We've been swallowed up. Es ist also keinesfalls einfach nur eine musikalische Umsetzung einer biblischen Geschichte. Das zweite ist, dass wer immer auch "wir" sind, nicht ausgespien werden, sondern im Walbauch bleiben. Es ist ein Lied über Hoffnungslosigkeit und dem Vergessen, das genaue Gegenteil von We Are Alive. Es würde also eher in die erste Hälfte des Albums passen und wahrscheinlich ist es deshalb ein Bonus Track, es hätte das Gleichgewicht von politischen und spirituellen Liedern gestört. Was schade ist, denn die Atmosphäre des Liedes ist großartig.

American Land passt dagegen ans Ende. Denn so wie We Take Care Of Our Own als Einleitung funktioniert, funktioniert American Land als Epilog. Es geht nicht einfach nur um Amerika als irgendeine x-beliebige Nation mit idealistischen Werten, die an der Realität scheitern, es streicht vor allem heraus, dass die Ideale von Amerika aus allen Völkern der Welt bestehen, es ist das Versprechen, dass es eine bessere Welt geben kann und es ist der Aufruf an jeden Menschen, sich ein Zuhause zu erschaffen, in dem es sich zu leben lohnt.


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 21:29 
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@Ragman: Ich bin absolut sprachlos. Das ist die mit Abstand beste inhaltliche Auseinandersetzung, die ich je über ein Musikalbum gelesen habe. Wahnsinn! Bibelfest scheinst Du auch zu sein. Das solltest Du wirklich an eine Intellektuellen-Zeitung verkaufen, weiß nicht, ob "Die Zeit" dem gerecht werden würde. Das werde ich mir ausdrucken und der CD beilegen. Danke!


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 21:43 
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Vielen Dank für die zwei genialen Kritiken. Habe Sie gerade ausgedruckt und werde Sie am Wochenende noch einmal in Ruhe studieren :-)

Meine CD ist angekommen.Leider konnte ich jetzt nur zwei Mal auf die Schnelle querhören. Insofern nur kurz ein paar Gedanken. Ich bin begeistert!
=> Wer so etwas abwechslungsreiches und an vielen Stellen auch Neues schafft, der hat noch viel Energie und Kraft für viele Alben (das finde ich schon einmal beruhigend)
=> Ja, es ist nicht Born to Run oder The Promise, aber es sind sind ja auch nicht mehr die 70er und 80er. Ich glaube, wenn es nach Vergangenheit kling würde, dann wäre es einfallslos und nun ist es halt moderner und gewohnter. Zähle mich eigentlich auch eher zu den Konservativen und mich schrecken moderne Inszenierungen alter Werke (bin gerade neulich gräßlich an Faust im Hamburger Thalia Theater gescheitert). Dieser für mich überwiegend neue Bruce mit vielen vertrauten Instrumenten ist klasse. Mir gefällt das.
=> Und da die E-Street Band beim Album wenig dabei war, bin ich gespannt, wie und welche Lieder auf der Tour interpretiert werden.
=> Den letzten Satz zu Clarence, den ich aus der Trauerrede noch nicht kannte bzw. mitgenommen hatte, ist großartig.
=> Einziges Manko im Moment: Die Schrift über die Mitwirkenden etc. Oder brauche ich eine neue Brille?

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Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt.
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BeitragVerfasst: 02.03.2012 21:52 
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Tramp69 hat geschrieben:
@Ragman: Ich bin absolut sprachlos. Das ist die mit Abstand beste inhaltliche Auseinandersetzung, die ich je über ein Musikalbum gelesen habe. Wahnsinn! Bibelfest scheinst Du auch zu sein. Das solltest Du wirklich an eine Intellektuellen-Zeitung verkaufen, weiß nicht, ob "Die Zeit" dem gerecht werden würde. Das werde ich mir ausdrucken und der CD beilegen. Danke!


stück weit off topic: "die zeit" intellektuell? gleichwohl muss ich zugeben, dass "hier bei mir" (aufn dorf), "wo" ich wohne, lehrer als intellektuell gelten. aber in der tat ist ragmans rezension für mich sehr brillant! :vernei

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 21:59 
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Tramp69 hat geschrieben:
@Ragman: Ich bin absolut sprachlos. Das ist die mit Abstand beste inhaltliche Auseinandersetzung, die ich je über ein Musikalbum gelesen habe. Wahnsinn! Bibelfest scheinst Du auch zu sein. Das solltest Du wirklich an eine Intellektuellen-Zeitung verkaufen, weiß nicht, ob "Die Zeit" dem gerecht werden würde. Das werde ich mir ausdrucken und der CD beilegen. Danke!

Beim Lesen habe ich auch sofort gedacht: das mußt du dir ausdrucken.
Hut ab vor diesem Beitrag von Ragman :vernei
Auch das der gesamte Aufbau der einzelnen Songs so abgestimmt ist, war mir noch nicht bewußt. Im übrigen ist der Artikel in der FAZ keine Glanzleistung.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/p ... 69849.html

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 22:00 
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Steve B. hat geschrieben:
stück weit off topic: "die zeit" intellektuell? gleichwohl muss ich zugeben, dass "hier bei mir" (aufn dorf), "wo" ich wohne, lehrer als intellektuell gelten. aber in der tat ist ragmans rezension für mich sehr brillant! :vernei

Na ja, bei uns an der Uni früher musste man FAZ und Die Zeit lesen, zumal in der Zeit die meisten Stellenanzeigen für Jobs an Unis, Öffentlicher Dienst usw. waren. Schon damals fand ich die Zeitung Sch...e! :wink:


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 22:37 
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Ja Ragman, was soll ich sagen, entweder man liebt ihn oder hasst ihn :wink:

Nach diesem Beitrag gehöre ich zu Ersteren. Klasse geschrieben und ich finde, alles auf den Punkt gebracht. Ganz ganz großes Kino. Toll echt! Danke Ragman, hat wahnsinns Spaß gemacht das zu lesen. Ich habe es ausgedruckt und meiner Frau zum lesen gegeben.......................

Danke Ragman

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BeitragVerfasst: 02.03.2012 22:52 
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@ragman, tolle Leistung. Danke. :vernei :vernei


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BeitragVerfasst: 02.03.2012 23:06 
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Sokki hat geschrieben:
Tramp69 hat geschrieben:
@Ragman: Ich bin absolut sprachlos. Das ist die mit Abstand beste inhaltliche Auseinandersetzung, die ich je über ein Musikalbum gelesen habe. Wahnsinn! Bibelfest scheinst Du auch zu sein. Das solltest Du wirklich an eine Intellektuellen-Zeitung verkaufen, weiß nicht, ob "Die Zeit" dem gerecht werden würde. Das werde ich mir ausdrucken und der CD beilegen. Danke!

Beim Lesen habe ich auch sofort gedacht: das mußt du dir ausdrucken.
Hut ab vor diesem Beitrag von Ragman :vernei
Auch das der gesamte Aufbau der einzelnen Songs so abgestimmt ist, war mir noch nicht bewußt. Im übrigen ist der Artikel in der FAZ keine Glanzleistung.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/p ... 69849.html


Ragman sollte dem FAZ-Schreiber Nachhilfe geben, der im Übrigen "The Rising" als Springsteens schlechtestes Album bezeichnet, "mit diesem aufdringlichen Folkgefiedel." Das Album ziele auf einen "nationalen Zusammenhalt." - Ja, was ist daran schlecht/falsch? Ich frage mich, hat der überhaupt einen Text gelesen bzw. verstanden?

Zu WB:
Wrecking Ball sei eine "Anklage, der, mit wenigen Ausnahmen von, jede Erbaulichkeit fehlt." - Erbaulichkeit? Seit wann ist eine Anklage erbaulich? Welch ein Schwachsinn!
Dann spricht er abschätzig von Springsteens "Unterpriviligierten-Sympathien." Wer sind denn die Unterpriviligierten, in den USA? Wohl doch einfache Leute, ehrliche Arbeiter, denn man viel/alles genommen hat. Warum soll man/er mit denen keine Sympathien haben?
Dann spricht er wiederum von der "thematischen Seite, die durchaus Respekt abnötigt." Geht aber nicht weiter darauf ein.

U.a. heißt es: "Unbekümmert um Zwischentöne, sieht er sich als Mann fürs Grobe, als „Jack of all Trades“, der den Kapitalisten das Handwerk legen will und sogar mit dem Gedanken spielt, diese „bastards“ abzuknallen." Ein ganz schlimmer Interpretationsfehler, weil er hier Autor und Erzählfigur gleichsetzt.

Das sind nur ein paar widersprüchliche Punkte, die mir auf die Schnelle aufgefallen sind.

Die Musik "dürfte auch die treuesten Anhänger auf eine Geduldsprobe stellen." - Wenn er sich da mal nicht ganz schwer irrt.

Selten so eine wirre, unausgewogene Kritik gelesen.

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Things that keep people human is the ability to keep dreaming. (Bruce Springsteen) :wish


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