Natürlich könnte man jetzt einfach über den Plot Twist hinwegsehen und die tolle Atmosphäre des Films in den 90 Minuten davor loben. Da das Ganze aber durch den Plot-Twist so ziemlich negiert wird, macht es allerdings keinen Spaß mehr. Mir hat gerade die Szene gefallen, in der sich Marie ganz clever darauf einstellt, dass der Mörder in ihr Zimmer kommen wird und vorsorglich jegliche Spuren ihrer Existenz in dem Haus beseitigt. Ist ja nun hinfällig.
Es ist klar, dass sich ein Plot Twist seine Grandiosität immer durch einzelne Lücken in der Logik erkauft. Die Story sollte aber im Großen und Ganzen, auch nach der Auflösung, noch funktionieren. Besser noch: Es werden in der Story bewusst Lücken gelassen (die allerdings nicht zu groß sein dürfen, damit der Überraschungseffekt funktioniert), die Fragezeichen beim Zuschauer erzeugen - wenn auch nur unterbewusst - und sich schließlich am Ende zu einem vollständigen Bild zusammentun.
Wie gesagt, abgesehen von einzelnen Ungereimtheiten, klappt das bei Filmen wie Saw, Fight Club, The Sixth Sense oder Identity.
High Tension dagegen sieht für mich nach ziemlich schlampigen Skript aus! Kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass derjenige das als Handwerk gelernt hat. Man macht sich ja bei der Auflösung nicht einmal die Mühe, das Ganze weiter zu erklären. Es wird einfach eine Story präsentiert und der Plot-Twist läuft dann nach dem Motto ab: "Guckt mal, es war eigentlich ganz anders."
Es werden ein paar Szenen gezeigt, in denen Marie die Morde begeht und das wars (wobei sich sogar da fragen lässt, woher sie die Kraft nimmt, um einen Kopf mit solch einer Kommode in der Wucht und Geschwindigkeit abtrennen zu können...dass die Art und Weise des Mordes anders war, kann anhand des Rückblicks, der ja die Realität suggeriert, ausgeschlossen werden).
Auf die Art der pschyologischen Störung wird gar kein Bezug genommen. Bin ja auch nur ein Laie, was so etwas angeht, aber eine gespaltene Persönlichkeit kann es meiner Ansicht nach nicht sein, da die Persönlichkeiten meist unabhängig von einander handeln und derjenige sich nicht daran erinnern kann, was der andere gemacht hat.
Schizophrenie kann zwar auch die Existenz mehrer Persönlichkeiten hervorrufen...allerdings spielt sich deren gleichzeitige Existenz nur innerhalb des Kopfes ab. Szenen in dem Truck, wo Marie gleichzeitig fährt und mit Alex spricht, sind da eher unwahrscheinlich, da sie Außenstehende (bzw. von der eigenen Persönlichkeit unabhängige Charaktere - nämlich Alex) normalerweise nicht miteinbeziehen. Zumindest nicht, wenn sie aktive Handlungen begehen. So ist es unlogisch, dass Alex gleichzeitig auf Marie reagiert, wenn diese versucht die Ketten loszumachen und im selben Moment erschrickt, wenn ihr kleiner Bruder draußen erschossen wird. Marie kann sich vielleicht sowas gleichzeitig einbilden, aber Alex eigentlich nicht. Ja, könnte alles in Maries Erinnerungen so sein...ich weiß. Aber darauf geht man ja der Einfachheit halber gar nicht erst ein.
Wie gesagt, über medizinische Einzelheiten kann man hinwegsehen oder diese bewusst dehnen, aber das wird ja nicht einmal versucht.
Lediglich der Moment, in dem der Killer Marie fragt, warum ihr "Alex" auch so viel bedeutet, hat bei mir ein Warnsignal abgegeben (Gab es da vielleicht noch mehrere?), warum er den Namen weiß, wo er doch schon verschiedene Mädchen getötet hatte und in seiner Wahl eher willkürlich wirkte. Ansonsten ist es für mich dramaturgischer Schwachsinn! Sorry! Erinnert mich zu sehr an den ersten Dramaturgiekurs in der Uni, in der wir in Gruppen versucht haben verschiedene Tatort-Plots zu erstellen. Da gab es auch diese übereifrigen Studenten, die gerne eine "voll krasse" Story schreiben wollten und jegliche Konsequenzen für logische Erklärungen außer Acht gelassen haben.
Schade auch, dass für mich der persönliche Hauptreiz der Geschichte dadurch verloren ging. Nämlich die Frage: Wie weit würdest du gehen, um einen geliebten Menschen zu retten?
Marie hatte ja unendliche Fluchtversuche und immer wieder grausame und einschüchternde Morde beobachtet. Trotzdem ist sie dem Täter gefolgt. Da habe ich mich immer wieder gefragt, ob mein Überlebensinstinkt nicht stärker wäre...fand ich für mich persönlich sehr spannend.
Wirklich schade um all die Szenen, die man vorher gut fand und die nun entweder keinen Sinn mehr ergeben oder so gar nicht passiert sind. Hätte man sich bemüht, das Ganze durch eine gute psychologische Studie, wie beispielsweise bei Identität, wenigstens ansatzweise zu erklären, hatte ich das sogar in Kauf genommen. So nicht. Es wird einfach nicht richtig deutlich, aus welchem Blickwinkel die Geschichte erzählt wird: Maries persönliche Erinnerungen oder Rekonstruktion durch einen Dritten? Ich denke, dass die Erzählperspektive bewusst so schwammig gehalten wurde, damit man sich nicht die Mühe machen muss, weiter auftauchende Fragen zu klären. Die Geschichte wird meiner Meinung nach einfach zu unabhängig von der Auflösung erzählt. Einfach abgedreht, als gäbe es keinen Plot-Twist. Das ist mir persönlich ein bisschen zu einfach und da fühl ich mich in der Tat verarscht und kann auch dem anschaulichen Kettensägen-Gemetzel am Ende nicht mehr viel abgewinnen.