War gar nicht so einfach überhaupt hinzukommen. Gerade als wir losfuhren, tröpfelte es so ganz leicht und dann fuhren wir direkt in den Sturm. Normalerweise wäre ich bei so nem Wetter nicht über die Autobahn gefahren. Mit der Gischt war das manchmal kurz vor'm Blindflug.
So aber führte uns unser Weg genau dorthin, wo die Blitze einschlugen. Kaum waren wir in Stuttgart, hörte der Regen größtenteils auf, wenn das mal kein mystisches Erlebnis war: wir mussten durch den Sturm ...
Der Protest gegen den Vorfilm war nicht allzu groß. Es war sehr unruhig, regelmäßig gab es mal einen Pfiff und ein paar Unmutsbekundungen, aber verglichen mit dem, was man von Berlin und München gehört hat, war es durchaus okay. Schön war allerdings dieses kollektive "Ooooh" wann immer ein Fade-Out suggerierte, dass der Film jetzt fertig sein könnte ... und dann doch noch weiterging. Ansonsten gilt, was ich bereits gesagt hatte: ich sehe keinen Unterschied darin, ob ich mich bei einer Vorband oder einem Vorfilm langweile. Wenn's mir nicht passt, kann ich solange rausgehen. Dadurch, dass alles bestuhlt war, verliere ich so ja nicht mal meinen Platz.
Der Film selbst ist durchaus sehenswert. Allerdings kann man schon fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, Livemitschnitte von Liedern zu zeigen, die ohnehin gleich noch mal live gespielt werden. Und ob man angesichts der schlechten Resonanz auf den Film wirklich noch den kompletten Abspann zeigen muss, damit man auch noch den Namen des Busfahrers der Tour lesen kann, wäre durchaus auch überdenkenswert. Immerhin gab es am Ende des Films schon mal donnernden Applaus ... dafür, dass er endlich fertig war.
Aber zum eigentlichen Konzert:
Bei Authority Song war das Publikum noch ein bisschen mau. Ob das durch den Vorfilm kam, durch die Bestuhlung oder die Leute erst mal warm werden mussten, weiß ich nicht, auf jeden Fall fing ich da an zu befürchten, dass das Konzert beim Publikum vielleicht nicht gut ankommen würde, wenn er jetzt, wie zu erwarten war, erst mal eine Reihe neuer Lieder spielen würde.
War aber gar nicht so. Schon die Reaktionen auf No One Cares About Me (was ich persönlich für eines der schwächeren Lieder auf dem neuen Album halte) waren - für mich - überraschend positiv. Zum ersten Mal wurde mir klar, dass das nicht wie befürchtet ein "Wir wollen nur die 80er-Sachen hören"-Publikum ist, sondern das da viele Leute waren, die einen genauso guten Bezug zu dem "Blues-Folk", den Mellencamp die letzten Jahre gemacht hat, aufbauen können.
Danach kam der erste Abschnitt, der wirklich Power hatte. Son Houses Death Letter, vor allem aber John Cockers sind Live wie für Mellencamp geschaffen, denn für einen Weißen kann er verdammt gut "schwarz" singen. Dieser Delta-Blues Sound der 20er/30er Jahre schafft heute niemand mehr so gut zu reproduzieren und gleichzeitig modern und nicht verbraucht wirken zu lassen. Und das so was dann auch noch ausgerechnet in Deutschland, dem Land der geborenen Rhythmus-Krüppel, dermaßen gut ankommt, ist erstaunlich. Ich liebe diese Art Folkmusik, dieses kernige, authentische und auch etwas schmutzige, was ein kurioser Kontrast zu der Schickimicki-Ambiente der Stuttgarter Liederhalle war. Die Live Version von John Cockers ist so grandios, schon dafür hat sich Ticketpreis und Anfahrt gelohnt.
Die neue, eher beschwingte Version von Walk Tall, die mir ohnehin sehr gut gefällt, machte sich dann als Kontrast zwischen den beiden extrem bluesigen Nummern John Cockers und The West End sehr gut.
Schließlich kam Check It Out und zum ersten Mal sind die Leute alle aufgestanden. Für mich ein besonderer Moment, Check It Out war eines der Lieder, die mich durch meine Jugend gebracht haben. Während andere Leute all das hippe Zeug von damals gehört haben, habe ich solche Lieder gehört, fasziniert von einzelnen Textbrocken, die ich so aus anderen Liedern nicht kannte...
Soarin' with the eagles all week long ... and this is all that we've learned about living, this is all that we've learned about living ... A million young poets screamin' out their words, maybe someday those words will be heard by future generations, ridin' on the highways that we built, maybe they'll have a better understanding ... es war keine besonders andere oder herausragende Performance, für mich aber einer dieser sehr persönlichen Momente, die es braucht, um aus einem guten Konzert eines zu machen, das einem immer lebhaft in Erinnerung bleibt.
Danach kam der Soloakustikpart. Ein bisschen schade an dieser Stelle, denn Save Some Time To Dream ist - gerade in der Soloversion ohne Band - ein großartiges Lied, würgte so direkt nach Check It Out die Stimmung aber ein bisschen ab. Da hätte er vielleicht Cherry Bomb vorziehen sollen. Ansonsten war es aber durchaus keine dumme Idee, den ruhigeren Teil in die Mitte des Konzertes zu legen, auch wenn es manchmal fast ein wenig zu ruhig war und die Publikumsgeräusche bei Jackie Brown oder Longest Days etwas störten ... ah ja, Jackie Brown, noch so ein Lied aus meiner Jugend
Going nowhere and nowhere fast ... rückwirkend betrachtet, muss ich ein sehr depressiver Jugendlicher gewesen sein.
Vor dem Rockset spielten Geige und Akkordeon ein traditionell angehauchtes Instrumentalstück, das Melodien von Mellencampliedern einbaute (zumindest Minutes to Memories habe ich erkannt), was sich als Überleitung zum letzten Teil sehr gut machte.
Zu guter Letzt kam dann noch so etwas wie Stadionstimmung auf. Kompakt am Ende noch mal richtig zu rocken, kommt besser als ich gedacht habe. Dadurch gibt es keine Länge, keine Langeweile, die Band braucht sich nicht zurückzuhalten, braucht keine Verschnaufpausen, einfach noch einmal ne halbe Stunde alles geben, das kam richtig gut. Und die dezent veränderten Versionen der Lieder, an die eher bluesigere Band angepasst, aber ohne sie dabei zu entstellen, bedienten den Wiedererkennungseffekt und wirkten gleichzeitig frisch. Vor allem Paper in Fire und Crumblin' Down hatten mehr Power als jemals zuvor.
Zum Schluss holte er bei R.O.C.K. in the U.S.A. noch jemanden auf die Bühne, der darüber offenbar so glücklich war, dass er herumsprang, als sei er auf Drogen. Witziger Kerl. Dann ließ Mellencamp ihn auch noch singen, was er recht gut machte, nur an der Textsicherheit muss er noch arbeiten:
Frankie Lyman, Bobby Fuller, Mitch Ryder, Jackie Wilson, Shangri-las, Young Rascals, spotlight on Martha Reeves, let's don't forget James Brown... Ist das so schwer.
Fazit: es gab nicht einen Schwachpunkt im gesamten Konzert. Außerdem war die Variation groß genug, um nie langweilig zu werden. Wer das verpasst hat, ist selbst schuld.
Setliste müsste dieselbe wie in München gewesen sein.