Spät, aber doch, hier noch ein etwas ausführlicherer Konzertrückblick.
Hells Bells over Wels
Der 22. Mai 2010 wurde ein besonderer Tag. Es war der Tag, als ich mich morgens gegen halb neun mit meiner Tochter Richtung "Highway to Wels" auf den Weg gemacht habe, um endlich mal Augen- und Ohrenzeuge der lautesten Rockband auf Erden zu werden.
Hat es sich gelohnt? Ja, hat es.
War es anstrengend? Oh ja, war es.
Wir kamen gut voran, auf dem Highway. Hie und da noch eine kleine Rast. Weitere anrollende Fans auf der Autobahn getroffen, die Vorfreude stieg.
Gegen 13.00 Uhr dann in Nähe Wels angekommen. Im Vorfeld wurde schon darauf hingewiesen, man möge auf Navis verzichten, da man fehlgeleitet würde, die Parkplätze würden sich nicht in unmittelbarer Nähe des Konzertgeländes befinden. Und siehe da, kaum die Autobahnabfahrt Richtung Passau/Wels genommen, kamen sie auch schon, die ersten Hinweisschilder zum AC/DC Konzert. Man wurde dann auch perfekt hingelotst, zu den 6 verschiedenen Parkplatzblöcken, dies dann gab (allesamt auf Wiesen).Das Auto abgestellt, nochmal dem CD-Player im Auto Stoff gegeben mit den bösen Buben aus Australien.
Und dann gings zu Fuß querfeldein, durch grüne Wiesen, an anderen campierenden Fans vorbei, Richtung Konzertgelände. Ich war ja schon einmal dort, Bon Jovi haben sich in Wels anno 1996 die Ehre gegeben. Blieb mir auch in bester Erinnerung, das Konzert 1996 hat mich erst zum Bon Jovi Fan gemacht. Na, mal sehen, wies diesmal sein würde...
Gegen 13.45 Uhr dann am Konzertgelände eingetroffen. Man kam aber erstmal schon gar nicht in Bühnennähe, man gelangte zu den Schleusen, wo wir dann gleich mal geblieben sind. Diverse Getränke- und Essensstände waren dort auch bereits geöffnet, man kam auch wieder mit anderen Fans ins Gespräch. Derweil immer wieder mal die Ansage, dass gegen 16.00 Uhr der Einlass stattfinden würde, vorher müsse noch der Platz aufgrund von heftigem Regen, den es vorher gegeben hatte, noch hergerichtet werden... Regen sollte bezeichnend werden für dieses Konzert.
Weiter vorne sah ich dann noch einen Bereich mit weiteren Schleusen, wo auch schon Fans warteten, vielleicht ein paar Hundert, schwer zu schätzen. Ich hörte dann, dass diese Gruppe bereits vorher zum nächsten Schleuseneingang weiter eingelassen wurde, weil die schon seit Freitag vor den Toren gewartet hätten... gut, sowas kennt man ja, wenn man kürzlich z.B. auf Springsteen-Konzerten war, die Narrischen, die halt an vorderster Front sein wollen...
Zwischenzeitlich verschlechterte sich das Wetter, es fing immer mal wieder an zu regnen und ich hab mal vorsorglich für meine Tochter und mich einen Regenschutz besorgt. Sowas wurde früher gratis ausgeteilt, diesmal wurde der für fünf Euro das Stück verkauft, dennoch sollte sich diese Ausgabe später dann als sehr lohnenswert erweisen.
Alte Rockhadern a la Led Zeppelins Whole lotta love dröhnten derweil aus den Lautsprechern, es war recht entspannt.
Dann gegen 15.30 Uhr sah man, wie die vorderen Schleusen geöffnet wurden und ein wahrer Massenlauf begann. Jetzt gings los, auch unsere Schleusen gingen auf, schnell und problemlos durch die Kontrolle und dann hieß es wieder mal laufen, laufen, laufen *keuch*. Ein sehr, sehr weiter Weg, sicherlich ein gefühlter Kilometer. Dann kam die Bühne näher und näher, man sah den Wellenbrecher. Hm, vielleicht doch noch die Chance reinzukommen? Nochmal letzte Energien und man war drin, im Wellenbrecher (es gab diesmal keine Privilegien für den Fanclub). Ein kurzer Blick und ich sah links von der Bühne noch Platz in der ersten Reihe. Noch ein letzter Sprint und man war da, unfaßbar, wieder mal an vorderster Front, mit sehr guter seitlicher Bühneneinsicht, direkt unter der linken Leinwand, der lange Steg von der Bühne zu den Fans hinein auch nicht allzuweit entfernt. Nun hieß es erstmal eine Zeitlang ausschnaufen. Dann nahm man die riesige Bühne genauer ins Visier, die legendäre "Hells Bells" Glocke ganz oben angebracht in der Bühnenmitte, beeindruckend anzusehen. Gegen 17.00 Uhr gings dann los mit der ersten Vorband, einer jungen österreichischen Rockgruppe namens Kaiser Franz oder so (noch nie vorher gehört), die sich eine halbe Stunde auf der riesigen Bühne abmühte. Auch die nächste Vorband Boon (ebenfalls mir unbekannt) konnte nicht beeindrucken, nur verhaltener Applaus, auch ein "Because the Night" konnte da nichts mehr retten. Wieder Umbau. Dazwischen versucht, eventuell noch etwas Essbares zu bekommen, was aber an riesigen Menschenschlangen vor den Fressständen scheiterte. Ging dann zum Ausgang des Wellenbrechers, ließ mir ein Pitband geben - aber auch dahinter wars hoffnungslos. Ich sah, wieviel inzwischen bereits los war, hinter dem Wellenbrecher stand die Menge noch dichter gedrängt, also gleich mal wieder zurück.
Die dritte Vorband Volbeat konnte dann wiederum überzeugen. Ich kannte diese dänische Rockband auch noch nicht. Es schienen auch Anhänger dieser Band vorort zu sein, der Frontmann war sichtlich erfreut, auch Banner seiner Band unter den Fans auszumachen. Die Band spielte eine Mischung aus Hardrock, Metal, Punk mit Countryeinflüssen und das sehr gelungen. Sehr schön auch die Geste des Sängers, auf den kürzlich verstorbenen Ronnie James Dio hinzuweisen und dann auch ihm und auch Johnny Cash einen Song zu widmen. Diese Band wurde dann auch mit sehr gutem Applaus inkl. Zugabe-Wünschen belohnt.
Und dann wurde man merklich aufgekratzter. Die Uhr zeigte langsam auf neun Uhr, nicht mehr lange sollte es dauern... und auf einmal donnerte er los, der Rock'n Roll Train. Es quietschte und dröhnte, man meinte wirklich, ein Zug würde mit Höchstgeschwindigkeit entgleisen - auf der Leinwand der Höllenzug als Comic mit einem teuflischen Angus... es ratterte und donnerte - die Menge fing an zu toben und schließlich waren sie da, AC/DC mit einem Knalleffekt.
Und wie das Konzert begann, so sollte es andauern. Allerdings wurde das Höllenkonzert dann auch noch durch höllisches Wetter getoppt. Bei "Back in Black" öffneten sich dann die Schleusen des Himmels wie anno Milano 2003 und der Regen prasselte nur so herab. Gerade noch rechtzeitig wieder in den Regenschutz geschlüpft, der zumindest das Handy und weitere Utensilien rettete. Dennoch tats der Stimmung keinen Abbruch, im Gegenteil, die Menge wurde noch entfesselter, man sah Brian und Angus, die sich am Steg abwechselten, denen der Regen auch nichts anhaben konnte, ja, da kann man als Fan schon auch was aushalten. Schließlich ist man ja bei AC/DC. Auch der noch folgende Hagel konnte daran nichts mehr ändern. Blitz und Donner bei Thunderstruck, wie passend. Nur hin und wieder dachte ich daran, wie sich der Platz jetzt wohl verwandeln würde, dass es wohl nur mehr Schlamm war, in dem man versinken würde, wie damals bei den Stones in Imst. Aber egal, weiter das Konzert genossen. Und alles wurde gespielt, was man sich von einem AC/DC Konzert erwartete, alle Hits die man kannte, aber noch nie live gesehen und gehört hatte. Immerhin besserte sich dann das Wetter wieder, es regnete dann zwischendurch zwar immer wieder, aber wenigstens kein sintflutartiger Wolkenbruch mehr.
Und dann der Moment, als die Hells Bells Glocke sich langsam nach unten senkte, Brian Johnson nimmt Anlauf und die Glocke ertönt. Gänsehaut pur. Ein Rocksong für die Ewigkeit.
Ein emsig hin und herflitzender Angus Young in seiner Schuluniform, später dann oben ohne, die Gibson bearbeitend, Brian Johnson nicht minder umtriebig. Malcolm Young an der Rythmusgitarre, Cliff Williams am Bass, ein cooler Phil Rudd an den Drums machen auch einen guten, soliden Job, aber im Fokus steht eindeutig Angus, vielleicht noch mehr als Brian Johnson.
Angus Strip beim genialen Blues "The Jack", einfach nur komisch. Zwar kein nackter Hintern mehr, etwas löblicher ist Angus nun mittlerweile auch zugange. Die riesige Aufblaspuppe bei Whole lotta Rosie. Angus dann am Ende des Steges, wird hochgefahren, ein weißer Konfettiregen. Highway to Hell dann als Zugabe. For those about to rock mit Kanonenschüssen beendete das Konzert. Zwei Stunden, die wie im Flug vorbei waren, ein einziger Augen- und Ohrenschmaus. Meine Befürchtung, ohne Ohrenstöpsel wohl nicht auszukommen, wurde widerlegt, der Sound war vorne sehr, sehr gut.
AC/DC scheint auf großartige Verabschiedungen auch keinen Wert zu legen, es gab nur noch ein knappes "Thank you" in die Menge und das wars. Meinte man. Dann bekam man aber noch ein Feuerwerk, das sich gewaschen hatte. Ok, so kann man auch Abschied nehmen.
Dann wars endgültig vorbei. Es gab noch letzte Ansagen, wie man sich nun beim Rausgehen am besten verhalten solle - langsam. ohne Hektik, da sich die Wiese nun in ein Schlammfeld verwandelt hätte, haha, in der Tat. Weiters wurde auch durchgesagt, dass das leider von mir versäumte CL-Finale mit 2:0 für meinen Lieblingsklub aus Italien, Inter Mailand, geendet hatte (erfuhr ich aber dank lieber Freunde auch bereits per SMS - justament zu dem Zeitpunkt, als der Highway to Hell losdonnerte). Gab ob dieses Ergebnisses gesamt eher verhaltenen Jubel (übertreiben wollte ich es ja nun auch nicht), war aber auch nicht weiter verwunderlich, da mit Sicherheit sehr viele deutsche Konzertbesucher auch vorort waren.
AC/DC wird nachgesagt, sie verändern sich nie, bleiben stur auf ihrer Schiene. Der Erfolg gibt ihnen recht. Und ich denke, es wird immer wieder Besucher geben, die ihr erstes AC/DC Konzert erleben und dann doch ein wahres Rockspektakel für Aug und Ohr erleben. In Wels sollens jetzt 95.000 gewesen sein und anscheinend das an Konzertbesuchern bisher größte Open Air in Österreich überhaupt (haben wohl noch Pink Floyd getoppt). Vorausgesetzt für so ein tolles Konzerterlebnis ist freilich auch, man hat einen guten Platz mit besten Sicht- und Soundverhältnissen, dieses Glück hatten wir. Zudem noch außergewöhnliche Wetterumstände, die das im nachhinein aber nochmal toppen und unvergeßlicher machen. So gesehen muss ich nicht viele AC/DC Konzerte gesehen haben, aber sie nie gesehen zu haben, da hätte man doch etwas versäumt.
Dann noch ein langer beschwerlicher Marsch durch den Schlamm, keinen Bock mehr, sich länger noch am verwüsteten Konzertgelände aufzuhalten, bis auf eine kurze Stärkung am Bratwurststand mal abgesehen. Nur mehr der Gedanke, wohlbehalten zum Auto zu gelangen. Inzwischen war ein Megastau im Gange, aber am Auto angekommen, befreite man sich mal vom Dreck so gut es ging, wickelte sich in eine Decke ein und es gelang mehr schlecht als recht auch noch ein paar Stündchen zu schlafen. Gegen halb sechs Uhr morgens dann losgefahren und die Wiese hatte sich freilich inzwischen auch großteils in ein Schlammfeld verwandelt. Irgendwie kutschierte ich mein Auto aber dort doch heraus und an der nächsten Autobahnraststätte wurde dann noch ein Stopp eingelegt. Frühstück um sechs an der Autobahn, auch schon länger nicht mehr erlebt und man war nicht allein, auch andere Konzertbesucher fanden sich dort ein und man konnte noch über das Erlebte ein wenig plaudern.
Gegen mittags wieder nach Hause gekommen, passend zur Uhrzeit gleich nochmals mit den Höllenglocken, die aus den Autoboxen dröhnten.
Und wichtig ist, man hat es wieder gespürt, dieses wunderbare Lebensgefühl, das mir "Rock'n Roll" vermittelt. Mit all seinen Facetten. AC/DC sei dank.
jerseylady