Hessische-Niedersächsische Allgemeine (Kassel), 23.1.2009:
http://www.hna.de//kulturstart/00_20090122164404_Der_Traum_vom_besseren_Amerika.htmlDer Traum vom besseren Amerika
Bruce Springsteen und sein neues Album ′Working On A Dream′
Fast 60 und kein bisschen leise: Bruce Springsteen legt heute sein neues Album vor. Von Olaf Dellit
Amerika arbeitet an einem Traum: am Traum von all dem, für das dieses Land einmal stand. Der Mann, der diesen Traum wahr machen soll, heißt Barack Obama. Der Mann, der das passende Lied geschrieben hat, heißt Bruce Springsteen.
"Hier draußen sind die Nächte lang und die Tage einsam, ich denke an dich und arbeite an meinem Traum", heißen übersetzt die ersten Zeilen des Titelsongs seines neuen Albums "Working On A Dream". Man könnte die lange Nacht als Symbol für die Bush-Ära lesen, die nun endgültig vorbei sein soll. Für diese Hoffnung trat Springsteen auch vor Obamas Amtseinführung und im Wahlkampf auf.
"Hier draußen sind die Nächte lang und die Tage einsam. Ich denke an dich und arbeite an meinem Traum."
Bruce springsteen
Bei der Produktion von "Magic" (2007) habe er so viel Spaß gehabt, sagt Springsteen, dass er einfach noch ein paar Songs schrieb und aufnahm. So ist das 24. Studioalbum Springsteens auch stilistisch in mancher Hinsicht eine Fortsetzung des Vorgängers. "My Lucky Day", "What Love Can Do" und der Titelsong etwa bieten solide Springsteen-Kost, aber nichts Überraschendes. Das gilt auch für das Lied "Surprise, Surprise", das die Versprechungen seines Titels nicht mal ansatzweise einlöst.
Doch es gibt gelungene Überraschungen. So ist "Good Eye" ein fast wütend klingendes Bluesstück, bei dem Springsteens Stimme bewusst unsauber eingespielt wurde. "Tomorrow Never Knows" ist dagegen an Country und Folk angelehnt - spätestens seit "The Seeger Sessions" ist klar, wie gut Springsteen auch dieses Genre beherrscht.
Ganz stark sind die beiden Schlussstücke. In "The Last Carnival" zeigt sich der 59-Jährige auf der Höhe seines Könnens. Sparsam instrumentiert beschreibt der Boss, wie die Zelte eines Jahrmarktes abgebaut werden und der Zug die Stadt verlässt. Da klingt Springsteen so nüchtern wie in seinen besten Liedern, in denen er metaphernreich die Untiefen Amerikas auslotet. Zugleich ist es ein Abschiedssong für E-Street-Kollege Danny Federici, der 2008 starb. Und - auch das gehört zu Amerika - am Ende schimmert Hoffnung durch; es ertönt ein gospelähnlicher Chor.
"The Wrestler" schließlich hat Springsteen für den hochgelobten Film mit Mickey Rourke geschrieben und dafür bereits einen Golden Globe bekommen. Hier ist Springsteen der Songwriter in bester Tradition von Dylan und Co.
Rock, Pop, Songwriting und Folk, das alles bietet der Altmeister auf "Working On A Dream", dazu meist gute Texte, bisweilen auch ironisch-witzig ("Queen Of The Supermarket"). Sollte jemand erwartet haben, dass Springsteen nun den Rock neu erfindet, der dürfte enttäuscht werden. Aber das könnte auch dem passieren, der erwartet, dass Barack Obama jeden Traum erfüllen kann.
Bruce Springsteen: Working On A Dream (Sony BMG). Wertung: !!!!