Was für ein Tag, was für ein Konzert – und was für ein Tag danach. Der eierige Gang zeugte von zu viel Stehen, brennende Hände vom vielen Klatschen, die raue Stimme vom Mitsingen (bei mir eher dem vergeblichen Versuch), und die gesunde Gesichtsfarbe von Sonne und Adrenalin. So stelle ich mir den gelungenen Springsteen-Tag vor. So stellte er sich für mich in Düsseldorf denn auch ein. Ein gutes halbes Jahr seit Köln waren für mich auch gefühlte „zu viel Zeit“ seit dem letzten Springsteen-Konzert.
Immer schon habe ich gesagt: Einmal mit der Straßenbahn zum Boss! Und es jetzt fast umgesetzt. Gut, ich hätte wirklich von der Haustüre aus fahren können. Aber spätestes auf dem Rückweg wäre es eng geworden – und ich wollte nicht schon um 22:45 das Stadion verlassen haben müssen – das sollen ruhig andere
. So taten es denn auch einige Stationen ab Aqua Zoo, wo das Auto einen guten Platz fand.
Neun Uhr an der Arena und noch keiner da? Konnte ich mir nicht vorstellen. Aber ich war oben an den Haupteingängen und die Servicekräfte der Arena wussten nicht so genau um das Was und Wo – waren auch eher Messe-Kräfte. Den Eingang Nord-Ost aber doch gefunden und mir die Nummer 96 abgeholt. Warum? Weiß ich nicht, hat am Ende ja doch nicht so geklappt.
Und dann das Übliche Warten. Ging das Wochenende rum wie im Flug, so kroch der Zeiger am Montag nur. Was aber auch nicht schlimm war, denn viele bekannte und mir neue Gesichter aus dem Forum machten aus dem langen Tag einen Kurzweiligen. Rumalbern, Erlebnisse austauschen, über Bruce, die Arena und auch das ein oder andere Konzert quatschen hatten ihren Reiz. Bin jetzt mal gespannt, ob Jerzee im Westen der Republik mal einen Gig haben wird. Die Kritiken der Tramps, die sie schon live gesehen haben, waren durchweg erfreulich.
Irgendwann hörte ich, dass sich am Eingang Nord-West auch Tramps einfanden – nur sehr viel weniger. Und als es an Nord-Ost immer voller wurde, die Ordner aber sagten, dass beide Tore zeitgleich öffnen und es vorab keine Pit-Bändchen gab, stand ich vor der Entscheidung Ost oder West. Nach den etwas unorganisiert und wenig souverän anmutenden Anfängen, aus dem Roll-Call eine Reihenfolge hinzukriegen stand für mich die Entscheidung fest – ab nach West. Aber das Warten war weiter lustig. Holländer, Österreicher und nette hiesige Tramps taten ihren Teil dazu.
Und falsch war die Entscheidung eher nicht, auch wenn ausgerechnet ich an zweiter Stelle im Gang den vor mir hatte, den die Ordnerin filzen wollte (oder musste weil Cheffe zuschaute?). Das er nichts dabei hatte, was er nicht durfte, war ihr wohl egal. Rechts und links rauschte alles vorbei – wir standen. Vorbei die Chance auf erste Reihe in der Mittelgegend. Aber dritte/vierte Reihe vor Clarence fand ich auch okay. Alles im Blick und den Sound fand ich für mich während des Konzertes okay. Halt nur keinen direkten Blickkontakt und mal ein Händedruck wird wohl auch wieder nichts. Auch egal – ich bin hier um Musik zu hören, eine E-Street-Band-Show zu erleben und nicht den Boss zu knuddeln.
Zwischendurch noch mit meiner Frau telefoniert, die lieber sitzen wollte beim Konzert und sich im Oberrang wieder fand Als sie hörte, wo ich stand, kam schon hörbarer Neid auf. Sitzen ist nicht alles, aber für mich geht das bei Bruce nicht.
Über zwei Stunden warten, und wieder ein paar mehr nette Leute zu treffen. Der übliche Applaus für die Beleuchter und endlich die obligatorische Kirmesmusik. Die Orgel kam nicht, dafür aber die E-Street-Band. Endlich, das Warten hatte ein Ende. Vorne der Jubel ohrenbetäubend und los ging es. An Spekulationen über das erste Stück hatte ich mich gar nicht erst beteiligt. Und auf „Jackson Cage“ hätte ich auch nicht getippt. Kam aber wie eine Walze durch das Publikum gerollt. Das wird ein tolles Konzert war sofort mir klar. Bruce und die ganze Band auf den Punkt energiegeladen, motiviert.
Ja und gab es den guten (?) Düsseldorfer Strom nur noch auf der Bühne – nicht aber fürs Publikum. Ratlosigkeit überall. Sollte ein Konzert wegen „ohne Strom“ verschoben werden? Wäre auch mal was Neues. Zweiter Anlauf, Nicht „Jackson“ zu Ende sondern „Night“, dann „Radio Nowhere“ – und mittendrin wieder Stromausfall. Schlechtes Omen? „100% live“ meinte Bruce in seinem unnachahmlichen Grinsen. Statt zu rocken sammelte er Requests ein – meinen nicht. Ich warte seit 30 Jahre, 3 Monate und ein paar Tage seit meinem ersten Kontakt zu Rosie auf ein Live-Erlebnis des Stückes – jetzt in Düsseldorf endlich live? Für mich bislang Essig. Mein Blatt mit Rosen nahm ich am Ende wieder mit.
Danach – Setlist ist bekannt. Endlich „Trapped“ mit der E-Street-Band. Stand trotz verschiedener Requests eh auf der Setlist. Ich hab „Trapped“ zwar 1993 in Dortmund gehört – und das war auch nicht schlecht. Aber gestern? Stadionrock pur, um mich rum tobte der Bär – ich mit. Die Folgen hört jeder, der heute mit mir spricht.
Bei Darkness und River musste ich an cynthia und stolen car denken – deren beiden Favourites. Sollte es heute endlich mit Rosie klappen? Gut, die Antwort ist bekannt – aber nach 20 Jahren auf Tour habe ich mit dieser „Enttäuschung“ leben gelernt. Die Setlist fand ich okay. 28 Stücke, Spirit, Altes und Neues – Tramps, was wollt ihr mehr. Gut, jeder hat so seine eigene Vorstellung von dem, was seine Setlist ist – meine hätte auch anders ausgesehen. Aber die Setlist sagt ja nicht, wie gut das Konzert ist – und das war toll.
Dann die einmaligen technischen Pannen – Soozie vergaß bei American Land obendrein gleich zwei Mal, ihre Geige einzuschalten, einem über die Bühne rutschenden und am Mikroständer turnenden 58jährigen ausgelassenen Bruce, einer E-Street-Band in Top-Form, immerhin einem weiteren Familienmitglied der Familie Springsteen aus New Jersey und noch viel mehr.
Als ich so kurz nach Mitternacht wieder zu Hause war (wieder nur ein Stück mit der Straßenbahn – komplett ich es tatsächlich nicht bis nach Hause geschafft), meinte meine Frau nur: „Und du meinst, du könntest schon schlafen?“ Ich konnte, denn die Nacht vor dem Konzert war schon zu unruhig, zu kurz. Und irgendwann ist man bei aller Glückseeligkeit zu platt zum Wachbleiben.
Jetzt heißt es für mich trotz Arbeit und so Kräfte zu sammeln für Hamburg. Vielleicht steht da ja Rosie auf der Setlist oder gehört zu den Requests, die auch zu hören sind. Und wenn nicht? Man kann nicht alles haben, ich auch nicht.