Hier noch ein netter Bericht:
http://www.westropolis.de/ingo.juknat/stories/36606/Bruce Springsteen in Düsseldorf
Glory Days in Kabul
Musik, Konzerte, Bewertung von Ingo Juknat am 17.06.2008
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Tut mir Leid, liebe LTU Arena, aber der Witz in der Überschrift muss einfach sein. Ich meine, zweimal Stromausfall in zehn Minuten, das hat Bruce Springsteen mit seinen 35 Jahren Bühnenerfahrung wohl noch nicht erlebt. Zumindest nicht vor 30 000 Zuschauern. Immerhin wissen wir nun wieder, warum er "der Boss" genannt wird. Diesen Anfangs-GAU muss man erst mal so locker überstehen. Eigentlich reichten zwei Sätze und ein Lächeln: "Sie sehen - die E-Street Band spielt 100 % live." Und: "Ich wusste gar nicht, dass Strom so wichtig ist."
Mehr war als Eisbrecher nicht nötig. Das Publikum war die nächsten drei Stunden auf seiner Seite. Der Strom blieb an diesem Abend der einzige Ausfall. Aber der Reihe nach.
Das gleichzeitig stattfindende Fußballländerspiel ist natürlich eine Bürde. Springsteen weiß das und wünscht der Nationalmannschaft auf deutsch alles Gute. Vermutlich wäre die Arena ohne dieses Parallelprogramm ausverkauft gewesen. Die geringen Lücken auf den Rängen fallen allerdings kaum auf, der Innenraum ist voll. Kein Vergleich zum traurigen Schicksal der Smashing Pumpkins vor ein paar Wochen. Da ist die Springsteen-Fangemeinde deutlich treuer.
Apropos Fans: Wie die neben mir sitzende Kollegin während des Konzerts richtig feststellt, ist das Ganze "eher eine 35-Plus-Veranstaltung". Schade eigentlich, denn die Musik ist, so ausgelutscht sich das anhören mag, zeitlos. "Spirits in the Night" zum Beispiel hört man seine 35 Jahre keinen Deut an, "Darkness on the Edge of Town" berührt wie anno '78 (behaupte ich, obwohl ich da eher Sandmännchen gehört habe), und "Because the Night" bleibt der Klassiker, den schon Patti Smith liebte.
All das hat mit dem durchkalkulierten Retro-Zirkus mancher Comeback-Bands nichts zu tun. Wenn man Springsteen und seiner E-Street Band eines anmerkt, dann, dass sie das alles nicht des Geldes wegen machen. Sie spielen, weil sie Lust darauf haben. Mit welchen Batterien diese fast 60jährigen Männer und Frauen arbeiten, möchte ich mal wissen. Die Hits folgen in einem derartigen Stakkato, dass einem schwindelig wird. Springsteen wirbelt dazu über die Bühne, liegt am Boden, taucht ins Publikum ein, dreht Pirouetten um den Mikrofonständer und grinst über weite Strecken, als wäre er nach all der Zeit immer noch verblüfft über die Wirkung seiner Musik. Auf das Publikum und ihn selbst.
Die alten Weggefährten der E-Street Band sind natürlich Teil der Magie: vor allem Gitarrist Nils Lofgren, der ein paar mächtige Soli beisteuert und der "Big Man", Clarence Clemons, am Saxofon. Nur der kürzlich verstorbene Keyboarder Danny Federici hinterlässt eine traurige Lücke. Dass diese Leute für Springsteen keine bloßen "Begleitmusiker" waren bzw. sind, merkt man deutlich.
Das Ergebnis dieser langen Freundschaft ist ein perfekt funktionierendes Konzert. Die Fans feiern jeden Song, ob neu oder alt - von "The River" bis "Radio Nowhere". Man weiß gar nicht, was man hervorheben soll. Echte Füller kann ich nicht entdecken. Selbst die wenigen eher durchschnittlichen Lieder ("Girls in their Summer Clothes" zum Beispiel) überzeugen in der Live-Version. Alles weitere ist persönliche - wahrscheinlich müsste man eher sagen: biografische - Vorliebe. Mit "Dancing in the Dark" und "Prove It All Night" hat Springsteen meine Alltime-Favourites gespielt, für andere mögen das "Born to Run" oder "Badlands" gewesen sein. Bei der Dauer-Euphorie im Publikum schwer zu sagen. Die Frage aus "Radio Nowhere" - "Is there anybody alive out there?" - stellt sich jedenfalls nicht.
Bleibt eigentlich nur eines zu klären: War da noch eine zweite Veranstaltung an diesem Abend? Ich kann mich nicht erinnern. Ist auch egal.