Das Phantom ist gegangen
Wenn jemand stirbt, ist das eine sehr private Angelegenheit, die im Kreis der Familie und Freunde bleiben sollte. Stirbt eine Person, die in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, sieht das meist anders aus. Die Zeitungen berichten, vielleicht sogar die Abendnachrichten im Fernsehen. Manche sind betroffen, andere schockiert. Dafür muss man kein Bewunderer der oder des Verstorbenen sein. Ein gutes Beispiel ist der Unfalltod von Prinzessin Diana. Doch wie nimmt man das auf, wenn man seit Jahren alles sammelt, was der Musiker Bruce Springsteen veröffentlicht und nun ein Mitglied seiner E Street Band gestorben ist?
Danny Federici war der Mann am Keyboard. Geboren 1950, gestorben am 17. April 2008, nachdem er zuvor drei Jahre gegen Hautkrebs gekämpft hatte. Die beiden kommenden Konzerte von Bruce Springsteen und der E Street Band wurden verschoben. Danny Federici war bereits Mitte November 2007 aus der laufenden Tour ausgestiegen, um sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. So hieß es offiziell. Gesund sah er schon lang nicht mehr aus, aber jetzt darf als sicher angesehen werden, dass dieser Abschied schon länger feststand. Es spricht für das Umfeld der Band, dass bis zu diesem Abend in Boston noch nicht mal über seinen Gesundheitszustand auch nur spekuliert wurde.
Doch an diesem Abend wurden auffällig viele Stücke gespielt, auf denen Federici am Akkordeon glänzen konnte. Er wurde zum Konzertende von Springsteen besonders herzlich erwähnt und jeder aus der Band drückte ihn fest an sich. Am folgenden Tag gab das Management den vorübergehenden Ausstieg aus der Tour bekannt. Für ihn sprang Charlie Giordano ein, der mit Springsteen bereits auf der "Seeger Sessions Tour" 2006 spielte.
Nun ist es nicht so, dass die Mitglieder der E Street Band nicht älter werden. Die Band existiert im Grunde seit 1973, die Umbesetzungen waren minimal. 1989 wurde die Band von ihrem Chef aufgelöst, doch 1998 rief er sie wieder zusammen. Zuerst im Studio, ein Jahr später auf einer großen Tournee durch Europa und Nordamerika. Der Saxophonist Clarence "Big Man" Clemons ist Jahrgang 1941 und damit der Senior der Band. Auch wenn er nicht mehr so beweglich ist wie einst im Mai, aber wenn die Band in diesem Frühjahr wieder in Europa unterwegs ist, steht auch Clemons wieder auf seinem Platz.
Wie lang noch? Das ist eine Frage, die sich in den Fan-Foren im Internet schon längst immer wieder nach oben schiebt. Die laufende "Magic"-Tour geht noch mindestens bis in den September 2008. Geht man von Springsteens üblichem Arbeitsrhythmus aus, wird ein neues Album nicht vor Ende 2009 erscheinen, eine Tour somit nicht vor 2010 starten. Dass die Band in der heutigen Form nochmal auf eine Tournee rund um den Globus startet, erscheint unwahrscheinlich.
Springsteen wird um den Mythos seiner Band wissen. Danny Federici hatte nicht umsonst den Spitznamen "The Phantom", der von einer wüsten Polizeirazzia Anfang der 70er herrührt, bei der er sich ungesehen aus dem Staub machen konnte. Auch auf der Bühne saß er eher unscheinbar hinter seinen Musikinstrumenten und machte den Eindruck, dass ihm das auch ganz recht so war. So einen bescheiden im Hintergrund arbeitenden Musiker zu ersetzen, kann die Band musikalisch verkraften. Menschlich wiegt der Verlust eines Mitglieds dieser eingeschworenen Familie viel schwerer. Federici und Springsteen spielten seit 40 Jahren zusammen, so lang hat heute fast niemand mehr dieselben Kollegen in der Firma um sich. In diesen Jahren prägte der Keyboarder mit seinem Sound Lieder wie "Hungry heart" oder auch das nie rührselige, aber anrührende Post-9/11-Stück "You´re missing".
Als Fan ist man mit den Jahren wie selbstverständlich mit der Band älter geworden. Die meisten werden selbst kennen gelernt haben, was es heißt, eine Familie zu haben, Verantwortung zu schultern und wohl auch Freunde und Familienmitglieder zu Grabe tragen zu müssen. Das Leben wird weitergehen, weil das immer so war und einem ja auch nichts anderes übrig bleibt. Auch, wenn kein Freund gestorben ist, sondern jemand, den man nicht mal persönlich kannte, macht es einen trotzdem traurig. Es ist der Moment, vor dem sich ein Fan (gleich, wer der geschätzte Musiker, Schauspieler oder was auch immer ist) immer fürchtet. Jetzt ist er gekommen.
Danny Federici stand am 20. März 2008 als Überraschungsgast mit seiner zweiten Familie auf der Bühne und wurde mit großem Hallo dort empfangen, bevor er zum Akkordeon griff und ein letztes Mal mit der E Street Band "Sandy" spielte. Dass es unwiderruflich das letzte Mal war, war wohl nur den wenigsten bewusst.
Quelle:
http://www.in-ticker.de/musik/110.php