Malerknecht hat geschrieben:
Noch eine amerikanische Nacht
12.10.2007 | 18:51 | THOMAS KRAMAR (Die Presse)
Pop. Bruce Springsteen, 58, fühlt sich auf seinem neuen Album als „verlorener Cowboy bei Sonnenuntergang“. Zu einer schönen und dauerhaften Spielart der Sozialromantik.
Nichts gegen das Internet, aber Ultrakurzwelle und Mittelwelle sind Dauerregenten im Reiche Pop, Bezirk „ärmlich, aber sauber“. Wir hatten „Radio Ethiopia“ (Patti Smith), „Radio Gaga“ (Queen), „Radio Free Europe“ (R.E.M.), nur zum Beispiel. Nun bringt uns Bruce Springsteen das Formatradio für alle „broken heroes on their last way power drive“, wie er sein Zielpublikum einst in „Born To Run“ so schön beschrieben hat, für alle „Springsteeners“, wie die abgebrühten Popjournalisten prosaischer sagen.
Es heißt „Radio Nowhere“ und beschallt die „last lone American night“, in der der „Boss“ höchstpersönlich durch den „misty rain“ braust, auf der Suche nach einem „mystery train“, schon um des Reimes willen, und ruft: „Ich will tausend Gitarren! Ich will hämmerndes Schlagzeug!“
Kriegt er. Zu diesem Behufe verfügt Bruce Springsteen ja über seine „E-Street-Band“, diesen voluminösen Klangkörper, der sich vor lauter Masse der Beschleunigung hörbar widersetzt. Umso größer ist die Freude, wenn er – auf der langen Geraden – trotzdem Tempo erreicht, freilich unter beachtlichem Energieverbrauch: Die E-Street-Band gleicht hier dem archetypischen amerikanischen Personenkraftwagen. Wenn sie rollt, dann rollt sie, durch die „magic street“, bis zur „edge of town“.
Ja, auch die sucht Springsteen wieder auf, auf seinem 15.Studioalbum, das er selbstbewusst „Magic“ genannt hat, wohl wissend, dass sie funktioniert, seine Formel zur Beschwörung von Rührung, jetzt und immerdar, zu jeder Tageszeit von den „red mornings“ über die „late afternoon sun“ bis ins „cool of the evening light“.
Alle Helden sind gebrochen
Seine Helden sind, wie gesagt, gebrochen, nicht durch den Erzählstil, bewahre, sondern durch das Leben, die „girls in their summer clothes“ beachten sie nicht mehr, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, sie fahren auf dem Highway, bis die Straße schwarz wird, zählen die Meilen...
Jeden anderen Singer/Songwriter würde man verhöhnen, wenn er seinen Bildern so treu bliebe. Doch Springsteen nimmt man sogar ab, dass er sich als „lost cowboy at sundown“ fühlt. Und zwar irgendwie trotz allem gut fühlt. „Glory Days“ hieß einer der von Springsteens eindringlichsten Mitsing-Songs: Ihm (respektive seinem lyrischen Ich) werden auch die trüben Tage im Rückblick glorios, und selbst im Elend findet er noch eine Idylle, als wolle er das Rilke-Wort von der Armut als „großem Glanz von innen“ illustrieren. Diese tief romantische Spielart des Sozialrealismus macht Springsteen zum Ahnen aller „Americana“-Bands, die mit ihren Holzfällerhemden und verschrammten Gitarren über den Ozean kommen und bei allen Klagen doch eines sagen: Es ist ein gutes Land, ja: ein gelobtes Land.
Die Wüste ist anderswo
Die wilde Wüste ist anderswo. Im Irak etwa, wo Springsteen seinen Song „Devil's Arcade“ ansiedelt: Hier klingt das Wort „heroes“ wirklich nur mehr bitter. Hier ist Springsteen seinem alten Ziel zumindest nahe, das er auf „The Ghost of Tom Joad“ (1995) erreicht hatte: ein John Steinbeck des Songs zu sein, ein Chronist, dessen Wut und Tränen wie von selbst aus den Geschichten fließen. Doch selbst hier, mitten im Söldner-grauen, sieht er ein „glorious kingdom of the sun on your face“...
Schärfer sind die Bilder der Heimkehr. Wenn der Erzähler etwa, begleitet von einem wehmütigen Echo, einem heftig outrierenden Saxofon, hämmerndem Schlagzeug und zirka tausend Gitarren, unter dem glühenden Nachthimmel in der Ferne seine Geburtsstadt sieht. Wenn der Song in die Zeile „It's gonna be a long walk home“ mündet. Man kann darüber lächeln. Womöglich wehmütig. Aber Bruce Springsteen hat es wieder einmal geschafft, einem sein Abendland vehement in den Hippocampus zu drücken: Es heißt Amerika, und dort ist jeder Verlierer 1)ein Cowboy, 2)einsam, 3)auf dem langen Weg nach Hause und 4)ein Held. Vor allem bei Sonnenuntergang.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2007)
Gruß
Malerknecht
Was muß in der Kindheit schiefgelaufen sein um auf sowas zu kommen??
Warum gleich wieder persoenlich...eigentlich ist das doch gar keine so schlechte Kritik. Wenn man lesen, bzw, "zwischen" den Zeilen lesen kann....
Auch wenn man Springsteen Hasser ist, muss mit Sicherheit nichts in der Kindheit "falsch" gelaufen sein. Alles eine Frage der "Fanbrille'.....