Bruce Springsteen Forum

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Gruß
Malerknecht


Stell Dir vor, ein berühmter Ruhrpottrocker hört ein paar ältere Platten mit deutschem Liedgut, ist total begeistert und sucht sich daraus 13 lagerfeuertaugliche Volksweisen aus, die er in seinem nächsten Album interpretiert, welches hieße "Hoch auf dem gelben Wagen - Westernhagen singt James Last".
So ähnlich mutet es wahrscheinlich den amerikanischen Hörern an, wenn sie nun die neue Scheibe (die 21.!) von Bruce Springsteen auflegen. Der Altmeister des Rock stellt uns damit nämlich zum ersten Mal in seiner langen Karriere ein Cover-Werk vor. Und nicht irgendeines, nein, er hat sich ausgerechnet amerikanische Folksongs ausgesucht, die er aus den gesammelten Werken des Pete Seeger zusammengeklaubt hat. Pete Seeger, gerade stolze 87 Jahre alt geworden, ist der Folk-Sänger Amerikas schlechthin, und obwohl er als Songwriter auch unvergessliche eigene Stücke in die Welt gesetzt hat, gibt es auf Springsteens Hommage ausschließlich klassische Traditionals. Um dem einen weiteren Superlativ hinzuzufügen, hat der Perfektionist Bruce Springsteen, der in seinem Leben auch schon quasi fertige Platten aus Unzufriedenheit in den Müll geschmissen hat, die Pete Seeger Sessions in sage und schreibe drei Tagen aufgenommen. Und das auch noch mit einem guten Dutzend Musiker, die nie zuvor zusammen geprobt haben!
Aus "We shall overcome" ist also nicht umsonst ein authentisches Werk mit sympathisch-rauher Live-Atmosphäre geworden. Die CD duftet geradezu nach Whiskey, Zigarrenrauch und Schweiß, und schließt man die Augen, fühlt man sich augenblicklich ins New Orleans der vergangenen Jahrhunderte versetzt: Fröhliche Banjos, Posaunen, Gitarren und stampfender Kontrabass, Wurlitzer-Piano, auch Akkordeon und Fiddle begleiten Springsteens heiser-melodische Stimme (die ab und zu sogar spontane Akkord-Ansagen in den Raum wirft).
Nicht alle Weisen klingen dem deutschen Ohr vertraut, doch die Amis kennen Lieder wie "Old Dan Tucker" praktisch aus der Wiege. Mal Country pur, mal Südstaatenblues oder Dixieland-Gospel, auch eine alte irische Weise ist mit von der Partie. An diesem Song hängen sich übrigens viele Interpretationsversuche auf. In "Mrs McGrath", die traurig den kriegsheimkehrenden verstümmelten Sohn begrüßt, tauchen nämlich vielsagende Antikriegszeilen auf: "All foreign wars I do proclaim live on blood and a mother's pain", und hier knüpfen ambitionierte Kritiker an, um aus dem scheinbar naiv-romantischen Folk-Album einen politischen Appell herauszuschlagen. Dass Bruce Springsteen mit "We shall overcome" nur eine gedankenlose Volksliedersammlung auf den Markt bringen will, ist wahrlich nicht zu vermuten, aber seine Botschaft ist subtil. Vordergründig präsentiert er uns ein stimmiges Album mit dichter Atmosphäre und bodenständiger Lebendigkeit, aber angesichts der Situation seines Heimatlandes in der allgemeinen Welt scheint fast jeder Deutungsansatz berechtigt ... Schon Nietzsche hinterließ uns: "Je abstrakter die Wahrheit ist, die man lehren will, um so mehr muss man erst die Sinne zu ihr verführen."
Vielleicht geht es tatsächlich um Krieg oder Frieden, um unbezwingbare Werte und um aussterbende Kultur, um Politik, Geschichte und Gegenwart - vielleicht geht es auch einfach (und einfach ist manchmal ganz schön schwer) nur ums pure Leben und Lebenlassen.

Also ich habe die CD nun schon ca.20 mal gehört.Für mich ist sie bei einer Skala von 1-10 so bei 4 angekommen!Es ist nicht einfach als Bruce Fan diese CD super zu finden.Aber dennoch freue ich mich auf die Konzerte und eine hoffentlich baldige CD mit der E Street BAND.

Gelingt mir persönlich,völlig mühelos.

Ich hab auch keine Probleme damit. Find sie sogar ziemlich geil. Endlich passiert auf einem Album mal wieder richtig viel Musik, und er beweist mit dieser unkonventionellen Kapelle (dass so viele noch relativ junge Musiker dabei sind, hat mich ziemlich überrascht) eindrucksvoll, dass das auch GANZ anders ganz famos geht, und nicht nur mit der E-Street-Band. Über das Konzept, ein Album komplett mit fremden Songs heruszubringen, kann man sicherlich bis zum St.-Nimmerleinstag diskutieren, aber ich finde, das Album fügt sich inhaltlich und stilistisch verblüffend gut in sein sonstiges eigenes Schaffen ein. Wenn man sieht, wie gut es ihm gelingt, sich diese Traditionals zu eigene zu machen, dann bekommt man auch eine Ahnung davon, wie sehr seine eigenen musikalischen Wurzeln in dieser Art von Musik (oder besser: in Stilrichtungen wie Folk, Country, Gospel, Bluegrass, Zydeco, ...) sowie dem entsprechenden Songwriting begründet liegen müssen.

Nochmal ein neues Album von ihm zu bekommen, dass mich so vom Hocker zu reißen vermag, das hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Für mich nach den letzten beiden Studioprodutionen eine echte positive Überraschung

So, das nur am Rande, weil es hier gerade hin passte. Ansich war der Thread ja wohl eher für offizielle Kritiken aus der Presse vorgesehen ...

Ich kenne sie noch nicht. Ich hatte sie in den Händen, habe dann aber doch gezögert und sie wieder zurückgestellt. Ich wünschte Bruce würde mal wieder zu seinen Wurzeln zurück finden und mal wieder ein schönes Rock-Album mit der E-Street Band produzieren. Ich hibe ihn noch nie live gesehen, aber so möchte ich ihn wohl auch nicht live sehen. Mit Wehmut höre ich mir immer wieder die CD's "Bruce Springsteen and the E-Street Band live 1975 - 85" an.

Was ist eigentlich mit dem Kopierschutz auf der DVD? Installiert mir das auch ein Rootkit auf dem Rechner oder ist es wirklioch nur ein Kopierschutz? Das hat mich nämlich auch noch mal zöger lassen die CD/DVD zu kaufen.[/i]

ja,ist ja auch geschmacksache.Aber ich war bei Devils schon skeptisch.Nach der Tour fand ich sie nurnoch cool.
Ich schätze so wird es mir diesmal auch wieder gehen.Ich stehe halt auf ,,The rising `` Mucke und die E-Street band.Aber die Devils Tour war einfach nur Klasse!!!

ich habs sie mir auch endlich gekauft und muss sagen, dass ich sie etwas "gewöhnungsbedürftig" finde. wäre es mein erstes bruce album gewesen, dann hätte ich mir keine weiteren gekauft.
was ich vermisse sind die texte, die bei bruce halt meist schon einen tieferen sinn haben, aber logischerweise bei diesem album nicht so.
ich verstehe nur nicht ganz, was das mit pete seeger zu tun hat, laut dem textbook sind die meisten lieder ja uralte volkslieder!

Willst du die Aussage nicht noch mal überdenken? Vor allem das "logischerweise"?

Ich find auch das die Texte (zumindest fast ) genauso tiefgründig sind, wie bei Bruce

was ich damit sagen wollte ist, dass die lieder einfach viel älter sind, und deshalb LOGISCHERWEISE nicht auf aktuelle themen eingehen können, und gerade dass schätze ich bei den texten von bruce sehr. natürlich heisst das nicht, dass sie deswegen oberflächlich sind, es ist halt einfach nicht mein fall.

Auto fahren und sich in das Mädel von nebenan verlieben ist immer und zu jeder Zeit,hochaktuell.

genau - deswegen fühle ich mich immer wie in einem bruce springsteen song!

DANKE BOSS!!!

Um es kurz zu machen:

Wie alle anderen Boss-Alben ist auch dieses der Oberhammer !!!!!

Thanx, Bruce !!!

Aus Östereich :

Gruß Malerknecht

Springsteen, Bruce: We Shall Overcome. The Seeger Sessions
Springsteens Wurzeln - "We Shall Overcome", ein Tribut an Folkopa Pete Seeger
Von Gerald Jatzek

Bruce Springsteen trägt gerne Geschichte von unten vor. Andere haben das vor ihm gemacht, und ihnen zollt er gerne Tribut. Die 13 Songs auf dem jüngsten Album stammen von Pete Seeger, dem banjospielenden Großvater der heutigen Folkszene. Die Auswahl orientiert sich an Seegers 1960 erschienener Sammlung "American Favorite Ballads", die Interpretationen sind kraftvoll und ungeschliffen. Neben den üblichen Instrumenten wie Gitarre, Banjo und Geige sind auch die Tuba und sogar ein Waschbrett zu hören.

Seeger, der eben sein 87. Lebensjahr vollendet hat, war über die Jahre in vielen Rollen tätig: als Bürgerrechtskämpfer, Friedensaktivist und Mitgründer des Newport-Festivals. Wie Woody Guthrie hat Seeger Folksmusik stets in einem gesellschaftlichen Kontext gesehen. Getreu dem Diktum Eislers – "Wer nur was von Musik versteht, versteht auch von der nichts" – stellte er bei seinen Auftritten stets einen Zusammenhang zwischen den Liedern und den Lebensbedingungen her, unter denen sie entstehen, auf der Bühne der Carnegie Hall ebenso wie bei Versammlungen der Wanderarbeiter. Wobei die Vergangenheitsform eigentlich unangebracht ist: In den letzten beiden Aprilwochen absolvierte Seeger drei Konzerte, davon eines mit seinem Enkel Tao Rodriguez unter dem Motto "For Us, For Nicaragua". Dazu passt, was mir Woody Guthries Tochter Nora vor einigen Jahren erzählte: "Es ist unglaublich. Wenn es eine Demonstration gibt, ist Pete immer der Erste, der uns anruft."

Für Springsteen sind die Songs aus Pete Seegers Repertoire Vorläufer seiner eigenen Lieder: "John Henry", der mit seiner Muskelkraft gegen den Dampfhammer antritt, ist ein Verwandter der Arbeiter, die in "Youngstown" im Hochofen arbeiten. Und er geht diese Lieder, wie die ergänzende DVD zeigt, dementsprechend enthusiastisch an.

Er "zündete Kerzen an, schenkte Alkohol aus und schrammelte drauf los", lautet die Beschreibung in einem ebenso geist- wie inhaltslosen Text der DPA, der von agenturgläubigen Kopierjournalisten freudig übernommen wurde. In Wahrheit passierte das, was man von inspirierten Sessions kennt, bei denen das Repertoire und die Formen allgemein bekannt sind. Es wurde musiziert. Dabei erwacht sogar der wirklich steinalte "Old Tan Tucker" zu neuem Leben. Die Ballade von Jesse James beginnt wie ein Stück von "Nebraska", gewinnt an Fahrt und erinnert schließlich an die besten Stücke von Dylans "Basement Tapes". Die witzige Geschichte vom "Erie Canal" wird traditionell mit Banjo begleitet, zu dem ein Bläsersatz im besten Begräbnisstil von New Orleans auftritt. "O Mary Don't You Weep" wird durch das leichte Klezmerfeeling der Geigen wesentlich realistischer. In "Pay Me My Money Down" besorgt das der Text: Springsteen improvisiert "Well I wish I was Mr. Gates / They'd haul all my money in crates" . Schließlich gibt es noch eine beschwingte Fassung von "We Shall Overcome" ohne Pathos.

Wenn es an dieser Produktion etwas auszusetzen gibt, dann dass sie zu kurz ist. Daher fehlen die Lieder, die Pete Seeger selbst verfasst hat, etwa "Last Train To Nuremberg" oder das poetische "Snow, Snow". Wobei die sich sehr gut für eine Soloproduktion eignen würden.
Bruce Springsteen: We Shall Overcome. The Seeger Sessions (SonyBMG).