Nachdem ich nun lange Mitleser dieser Rubrik bin, möchte ich auch gerne meine Meinung äußern…
Ich habe schon lange über die Glorifizierung des Bruce Springsteen von einigen Mitgliedern dieses Forums schmunzeln müssen. Egal was der Boss auch veröffentlichte und praktizierte, es war stets genial oder einzigartig und „zum Verlieben“ toll. Hörte man in der Vergangenheit (und teilweise auch heute noch) kritische Töne, so fühlte man sich meist als Ausgegrenzter.
Seit Magic gab es kein gutes Album mehr? Auch dies konnte ich hier lesen. Ja, dem stimme ich in teilen zu. Es war die Zeit, in der sich Springsteen als Live-Künstler voll entfaltet hat. Viele ältere Songs neu aufgenommen, keine tiefsinnigen Texte. Einfach Stoff, um wieder auf Tour gehen zu können. Nach dem Tod von Danny ist es ihnen sicherlich auch bewusst geworden, dass es nicht ewig so weitergeht. Hinzu die gesundheitlichen Einschränkungen von Bruce. Live ist seine Leidenschaft, daher bezahlt man ihn auch gerne dafür, weil er es einfach kann und in einem Rahmen ausübt, der schon einzigartig ist.
Es fällt mir daher etwas schwer zu glauben, dass Bruce Springsteen sich auf einmal von all seinen Werten verabschiedet haben soll bzw. Nicht mehr in das Springsteensche-Weltbild einiger Fans passt (in Amerika scheint dies ja noch extremer zu sein).
Ich bin seit 1993 (Streets of Philadelphia war meine Einstiegsdroge) bekennender und leidenschaftlicher Fan. Bereits zu dieser Zeit habe ich eine sehr kritische Presse und Fangemeinde wahrgenommen, da sich Springsteen scheinbar schon zu Beginn der 90er von seinen „Idealen verabschiedete“, um ein Familienleben in den Hollywood-Hills zu führen. Was wurde er kritisiert, dass er sein New Jersey verlassen hat, um bei den Reichen und Schönen zu leben. Nach all seinen Erfolgen und Strapazen, ein Schritt, den sicherlich die meisten hier in gleicher Rolle auch getan hätten, sofern man eben in der finanziellen Lage ist.
Keine 10 Jahre später, ist er in eben jener Jersey zurückgekehrt, in dem er aufwuchs. Diese Welt liegte ihm nicht, wie Springsteen auch in Interviews damals äußerte. So ist er eben auch.
Bruce hat sein Hobby zum Beruf gemacht, ohne irgendeine Ausbildung zu haben. Er verdient damit seinen Lebensunterhalt und versucht, bestmöglich für sich und seine Familie Absicherung herauszuholen. Das mag man ihm nicht verübeln, auch wenn man meint, er hätte es nicht (mehr) nötig.
Bruce hat seine Wurzeln verloren? Kann ich nicht ganz nachvollziehen. Immer wieder ist er in seinem Hood unterwegs, lässt sich bei seinen Wegbegleitern blicken, gibt ihnen einen aus oder lässt sich mit ihnen ablichten. Er spendet viel, das sollte man auch nicht vergessen…
Bruce setzt sich nicht mehr für die Arbeiterklasse ein? Auch hier kann ich nicht ganz zustimmen. Er ist durch diese Menschen geprägt, schreibt in seinen Songs davon und genau darin suchen wir eben unsere Identifikation. Er schreibt und singt authentisch, damals, wie heute. Aber, genau wie es hier auch schon erwähnt wurde, ist der Working-Class-Hero Springsteen seit 1984 ruhiger geworden. Seine Songs und Themen veränderten sich, genau wie sein Leben. Liebe, Familie oder Weltkrisen sowie Terrorschläge zählten nun zu den prägenden Dingen. Alles das, nahm und nehme ich ihm noch immer ab. Er schreibt, was uns bewegt. Er schreibt über Dinge, die er für sich verarbeitet. Eine tolle und abwechslungsreiche Perspektive.
Bruce ist ein Schauspieler? Er gesuckelt und eine Rolle vor? Auch dies sehe ich nicht so. Er selbst sagte, die Leute zahlen einen bestimmten Preis und sein Job sei es dann, diesen Menschen für 2-3 Stunden einen einzigartigen Ausbruch aus ihrem Alltag durch Konzerte zu ermöglichen. Eben dies macht er bis heute mit Leidenschaft und Ausdauer, wie es kaum andere Künstler tun. Die Soulcover kann man sehen wie man mag, aber auch bei seinen Live-Auftritten ist diese Leidenschaft und Überzeugung spürbar gewesen. Er singt, als seien es seine Songs. Genau das schätze ich so an ihm!
Zu den Ticketpreisen…Schon vor 10 Jahren zur Wrecking Ball-Tour habe ich gesagt, dass ich diese Preise von 97-105€ nur bezahle, weil es Bruce ist. Ich wusste, worauf ich mich in Punkto Liveshows einstellen und drauf verlassen konnte. Von daher sehe ich diese Preise von 150-170 als marktangemessen in der heutigen Zeit. Alles anderen, was von Ticketmaster und Co betrieben wird, ist Abzocke und jenseits von Gut und Böse. Aber der Markt macht die Preise (Angebot/Nachfrage). Und wenn ich so auf eBay schaue, zu welchen Kursen die Karten mittlerweile angeboten werden, freue ich mich, wenn diese „Fans“ auf ihren Tickets sitzen bleiben. Auch dies ist eine kranke Entwicklung der letzen Jahre.
Ich freue mich tierisch auf meine 4 Konzerte im nächsten Jahr. Mit etwas Glück sicherlich, habe ich Karten zu den normalen Kursen ergattern können. Meine Vorfreude ist in keinsterweise getrübt. Den Boss bei der Arbeit zu sehen, darauf freue ich mich. Es ist durchaus eines meiner Highlights im neuen Jahr!
Genießt die Musik vom Boss (live), das wünsche ich euch!
_________________ 1999: Berlin, Bremen 2003: Gelsenkirchen, Hamburg 2005: HH 2006: HH 2008: HH, Düsseldorf 2009: Frankfurt 2012: Berlin, Prag 2013: Hannover, Leipzig 2016: Berlin, Horsens 2023: Düsseldorf, Kopenhagen I, HH, München 2024: Barcelona II, Hannover
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