Das Dublin-Wochenende
Als die Daten für den zweiten Teil der Europa-Tour bekannt gegeben wurden – und das zog sich ja damals über Wochen hin – begannen sofort die Überlegungen. Wohin fahren? Hamburg war eh klar. Köln auch (dass später nichts daraus wurde, ist eine andere Geschichte...). Und dann? Verona wegen der Arena? Barcelona wegen der traditionell so besonders euphorischen Fans? Kopenhagen wegen der Kombination aus kostengünstiger Anreise und kostenloser Übernachtung? Na, erst mal wurde tatsächlich ein Ticket für das Konzert in der dänischen Hauptstadt besorgt. Wenig später stellte sich aber heraus, dass der Termin ungünstig war und so wurde umgeplant. Dublin war jetzt erste Wahl. Zum einen, weil dort an einem Wochenende gleich zwei (von insgesamt drei) Konzerten zu sehen waren, zum anderen, weil mich Dublin als Stadt reizte und auch noch ein Rugby-Länderspiel (Irland-Australien) im legendären Stadion Lansdowne Road stattfand. Flüge gab’s für 50 Euro inkl. Gebühren ab Hamburg – war also „nur“ noch die Ticketfrage zu klären. Der offizielle Vorverkauf war natürlich längst gelaufen und auf diese Weise zunächst keine Karte mehr zu bekommen. Blieb erst mal nur Ebay. Die folgenden Wochen wurde der Markt sondiert, und plötzlich war dann tatsächlich ein Schnäppchen möglich. Ein Ticket für den Sonntag zum Preis von 90 Euro (statt regulär 85 Euro). Für den Samstag wollte ich mich eigentlich vor die Halle stellen und den Schwarzmarkt sondieren, doch je näher der Reisetermin kam, um so mehr war mir plötzlich daran gelegen, ganz ganz sicher zu sein, dass ich auch wirklich reinkomme. Also mal zum Spaß die Ticketmaster-Seite gecheckt, und tatsächlich: Während der nächsten Tage waren immer mal wieder Karten im Angebot. Da die Online-Buchung aber nicht funktionierte (Tickets wurden nur nach GB und Irland verschickt), mein Glück per Telefon versucht, und nach ordentlich Zeit in irgendwelchen Warteschleifen dann tatsächlich das große Erfolgserlebnis: Ich hatte einen Stehplatz für Samstag sicher!
Bestens gelaunt ging es am Sonnabend dann ganz entspannt mit Ryanair nach Dublin. Kurz im Bed & Breakfast eingecheckt und gleich weiter zur Halle. Meine B&B-Herbergsmutter hatte mich zwar vor dem Fußweg von der Innenstadt zur Halle (The Point) gewarnt, aber mit 25 Minuten entlang der Hafenmauer ohne Pubs o.ä. hatte ich dann doch nicht gerechnet. Gegen 18 Uhr am Boxoffice das hinterlegte Ticket abgeholt und in die Schlange der Wartenden eingereiht. Ging alles sehr gesittet und entspannt zu. Die Roll-Call-Leute waren zwar deutlich vor mir, aber als ich dann in der Halle war, konnte ich dennoch bis ziemlich weit nach vorne durchgehen und landete schließlich in der ca. 10.Reihe. Ob ich da durchhalten würde, wusste ich nicht, aber versuchen wollte ich’s wenigstens.
Was den Schwarzmarkt angeht: Draußen waren ca. 10 Händler unterwegs, die ihre Karten anboten – hatte eigentlich mit mehr gerechnet. Private Verkäufer, denen einfach jemand krank geworden ist etc., schien es nicht zu geben.
Die Wartezeit verging recht schnell und gegen halb 9 erlosch dann unter großem Jubel das Saallicht. Zu The Point kann man noch sagen: Geniale Halle. Ca. halb so groß nur wie die Color-Line-Arena (obwohl immerhin 8500 Leute reinpassen) und eine sehr intime Atmosphäre. Hat mich echt begeistert. Auch wenn das Pint 5 (!) Euro kostet...
Die Setlist kennt ihr natürlich alle, deshalb nur meine Highlights: Ein unglaublich Energie geladener Einstieg mit „Old Dan Tucker“. Da merkte ich auch gleich, wie viel mehr man „drin“ ist, in so einem Konzert, wenn man tatsächlich so dicht vor der Bühne steht und wirklich jedes Zucken der Gesichtsmuskulatur erkennen kann... „Jesse James“ begeistert mich immer wieder, allein mit der verächtlich ausgespuckten Zeile „This dirty little coward...“.“Bobby Jean“ war toll und „If I Should Fall Behind“ der absolute Knaller. So intensiv und intim, so zart und im besten Sinne voller Seele, wie ich’s wohl noch nie gehört habe. Das Duett von Bruce und Patti ist einfach traumhaft schön. Da stockte mir richtig ein bisschen der Atem. „Highway Patrolman“, „The River“, die Scat-Einlagen bei „Open All Night“. Ein Höhepunkt jagte den nächsten. Und Bruce reichte zwischendurch einen Becher Wasser ins (erschöpfte9 Publikum. Nette Geste – und der Becher hat jetzt bestimmt irgendwo einen Ehrenplatz
„Shenandoah“ ist nicht gerade mein Lieblingsstück von der neuen CD, hatte aber auch was, weil es (ich geb’s zu) eine Weltpremiere war. Da bekam man schon den Eindruck an einem Stück Geschichte teilzuhaben. Verrückt, aber war so. „When The Saints…”: Pure Magie. Schon bei der ersten Zeile “We’re all travelling in the footsteps of those that come before” wurde auf einen Schlag so sonnenklar , dass dies kein Nebenprojekt oder eine Springsteen-Marotte ist, sondern dass er sich tatsächlich mit dieser Band und diesen Songs in einer Great American Tradition steht. Dazu die Gospel-Stimmung und eine andächtige Masse vor der Bühne: Für mich der stärkste Moment des Konzerts. Danach dann Party pur bei „This Little Light Of Mine“ und „American Land“. Erschöpft aber glücklich anschließend zum Bus gelaufen, dem letzten, der (um 23.20 Uhr!!!!) zu meinem B&B fuhr...
Ich will ehrlich sein. Am Sonntag war ich zunächst nicht sooo heiß aufs Konzert. Hatte den ganzen Tag im regnerischen Dublin verbracht, ein tolles Rugby-Spiel gesehen, aber noch keine Zeit für ein ordentliches Guinness gehabt und war einfach k.o. Zudem gings im strömenden Regen zu „The Point“, wo wieder die gleichen Schwarzhändler auf Kunden warteten. Diesmal sah ich aber auch einen privaten Verkäufer, der ein Schild hochhielt und ein Standing Ticket zum Einkaufspreis (75 Euro) anbot. Für mich gings diesmal aber in den ersten Rang, letzte Reihe. Vorteil: Ich konnte die ganze Zeit stehen, wenn ich wollte, da ich keinem die Sicht nahm. Andere, die Mitten im Pulk saßen und aufstanden, wurden von Ordner immer schnell aufgefordert, sich wieder zu setzen. Was das Konzert angeht: War der Sonnabend schon genial gewesen, so war der Sonntag noch mal eine Steigerung. Von meiner Position war die tobende Masse unten prima zu sehen und der Sound ebenso gut wie am Tag zuvor (Riesenkompliment an die Tontechniker, liegt wohl aber auch an der generellen Akustik dort). „Atlantic City“ war ein Kracher und so unglaublich engagiert gespielt. Wahnsinn. „The Ghost Of Tom Joad“, „Further On (Up The Road)“, Erie Canal“, „For You“ (den Fans gewidmet, die überall hinreisen, um ihn zu sehen, sehr humorvoll und ein bisschen selbstironisch anmoderiert), „Long Time Comin’“, „Jesus Was An Only Son“, „We Shall Overcome“ (Bruce. „The song that started it all!”), “Blinded by The Light”. Gleich neun Wechsel in der Setlist!!!! Und fast nur Knaller!!!! Dazu meine Lieblinge „Jesse James“, „If I Sould Fall Behind“, „When The Saints…”, “This Little Light…” und “American Land” – ich war einfach nur RESTLOS GLÜCKLICH!!!
Zum Schluss ein großer Dank von Bruce ans Publikum, dass restlos austickte, als er zu „Open All Night“ die „irish asses“ aufforderte, sich von ihren „irish seats“ zu erheben – wogegen dann auch die Ordner nix mehr machen konnten... Natürlich stand Bruce bei all dem immer noch im Mittelpunkt, aber man hatte doch das Gefühl, eine echte BAND zu sehen. War schon anders als in Frankfurt. Und dazu passte, dass Bruce so was sagte wie „Ihr werdet noch viel von denen hören.“ Klar, die sind auch ohne ihn Spitzenklasse!
Fazit: Ein Traumwochenende, dass ich gerne in Belfast verlängert hätte. Aber Arbeit und Familie ließen das diesmal nicht zu. Eines ist aber ganz sicher: Beim nächsten Dublin-Auftritt bin ich wieder dabei!