Bruce Springsteen Forum

Hallo liebe Gemeinde,

auch meine Heimat-Provinzgazette hat einen Bericht zu HH veröffentlicht.

Here we go:

Der Boss als Geschichtenerzähler

Die andere Seite:Bruce Springsteen in Hamburgs Color Line Arena

Von Tamo Schwarz

Allein steht Bruce Springsteen vor 9000 auf der Bühne der Hamburger Color Line Arena und knurrt ein experimentelles Reason To Believe in den Saal. Kantig verfremdet, erstaunlich. Für zweieinhalb Stunden wird der 55-Jährige seine andere, zerbrechliche Seite zeigen, Songwriter sein, Geschichten erzählen.

Am Harmonium pumpend beginnt er den Abend mit Downbound Train, wählt das Unbekannte, Filigrane - nicht Born In The USA oder Glory Days, die oft Verkannten. Geradeaus seziert er Liebe, Sehnsucht, Misstrauen, kreiert präzise poetische Bilder. Das Harmonium dröhnt im Nachhall. Springsteens Perspektiven haben sich verändert. Sie sind noch da, die Frankies, Joes und Marys, die Verlierer auf staubigen Highways. Doch Springsteen, verheiratet und mittlerweile dreifacher Vater, sinniert heute auch über Elternschaft, ohne aufdringlich zu verklären. Die Vergangenheit wird zur Gegenwart. „Well my daddy he was just a stranger / Lived in a hotel downtown / When I was a kid he was just somebody / Somebody I'd see around", singt der Boss, weicht dann zurück vom Mikro, wird leise, fragil, verlangsamt.

Diffuses Licht hüllt Springsteen in eine intime Bühnen-Atmosphäre, die mit Samt-Vorhängen, Kronleuchtern, Harmonium, Piano, Orgel und Gitarren auskommt. Entrückt widmet er sich am Piano Tougher Than The Rest, raut das große The River mit seinem Falsett auf und macht All l'm Thinkin' About zum ersten Mitklatsch-Stück des Abends. Ehrlich
klingt das, wenn die Stimme bricht, Springsteen lacht und sich gar nicht wehrt gegen Mitsingen und die obligatorischen „Bruuuce"-Rufe. Und während Saiten und Mundharmonika zuerst nur der Wut Ausdruck verleihen, wächst nun die Leidenschaft, mit der sich Springsteen als Bühnen-Arbeiter definiert. Er überrascht mit den Tour-Premieren des verstaubten Janey, Don't You Lose Heart, von Spare Parts an der zwölfsaitigen Gitarre und später sogar des legendären Growin' Up. Und dann kehrt er doch immer wieder zu den Stücken des neuen Albums Devils & Dust zurück. So unterbricht er Jesus Was An Only Son mit kleinen Phantastereien über Jesus und Maria Magdalena, die als Barbesitzer in Galilaa einen schönen Tag nach dem anderen
erleben.

Brav hatte sich Springsteen zu Beginn auf Deutsch für die Verlegung des Konzerts entschuldigt: „Vielen Dank für Eure Geduld," Die Hamburger waren belohnt worden, als vor zwei Wochen doch noch Karten für den Oberrang in den Verkauf gingen. Leider wurde so aus dem intimeren Rahmen der bisherigen Tour ein Arena-Ambiente - wenn auch mit bestechendem Sound.

Wie auf Zuruf strömten schließlich alle vor den fünf Zugaben an die Bühne, ehe sich Springsteen mit dem dem Suicide-Cover Dream Baby Dream verabschiedete. Da erweist sich der Sänger als Prophet einer unzerstörbaren Hoffnung, erhebt sich, während das Instrument weiter wimmert, schließt die Messe, wie er sie begonnen hatte. Erhaben.

Erschienen am Mittwoch, 29. Juni 2005[/i]