Spontan ergab sich bei einer Geburtstagsfeier eines Bekannten von mir die Idee nach Mannheim zu fahren um dort Sting mit dem Orchester zu sehen. Ich hatte das Album im vergangenen Jahr nicht so gehört aber was ich hörte fand ich nicht mehr als nett. Die Toursetlist habe ich am Anfang verfolgt und fand sie sehr interessant da er ein paar weniger bekannte Songs ins Set brachte. Mit geringen Erwartungen ging es dann gestern nach Mannheim. Soviel sei gesagt: Es war ein Experiment und das meine ich im vollsten Umfang, manche Songs haben sehr gewonnen, manche Songs waren gut und ein paar wenige waren ganz nett. Aber im Allgemeinen ging das Experiment auf.
Unsere Plätze waren im Oberrang rechts von der Bühne und ich war überrascht wie gut die Sicht war, wenngleich man natürlich nicht jeden Pickel auf dem Gesicht erkennt
Um kurz nach 20 Uhr begaben sich die Bochumer Symphoniker (welche Sting als Orchester bei einigen Shows in Europa dabei hat) unter der Leitung von Dirigentin Sarah Hicks auf die Bühne und spielten eine Art Einleitung, was man den Abend auch immer wieder beibehielt vor bestimmten Stücken ein kurzes Orchesterintro zu bringen. Zu den Klängen dieser Einleitung kam die Band dauf die Bühne. Sie bestand aus Sängerin Jo Lawry, Kontrabassist Ira Coleman, Percussionist Rhani Krija (der im übrigen auch schon mit immer mal mit BAP oder Wolfgang Niedecken solo die letzten Jahre unterwegs war) und natürlich Stings "rechte Hand" Dominic Miller wie seit eh und jeh seit 20 Jahren an der Gitarre.
Every Little Thing She Does Is Magic: Zu den Klängen des Police Hits kam dann schließlich Sting auf die Bühne. Eigentlich gehe ich ja nicht so auf Äußerlichkeiten ein aber ich war froh das er sich von seinem Bart getrennt hatte und auch die Haarpracht war sehr kurz gestutzt, steht im besser als der Bart. Die Version klang ähnlich der originalen von den 80ern, nur eben mit Orchester und entschlacktem Schlagzeug. Der "WOW"-Effekt stellte sich bei mir noch nicht so ein, ich fand es ganz nett aber so wurde klar das der Abend nicht direkt mit einem Knaller startet (so mitreißend der Song auch im Original sein mag) sondern alles Stück für Stück passiert und das meine ich im positiven Sinne. Das Ende sang Sting abwechseld mit dem Publikum und so war klar das hier nicht nur ernstes Zuhören gestattet ist sondern auch der Spaß nicht zu kurz kommt.
If I Ever Love My Faith In You: An zweiter Stelle erklang dann einer meine Solo-Lieblinge. Sting spielte hier zum ersten Mal Mundharmonika, was er bei etlichen Stücken wiederholen wird und deutlich macht wie vielseitig Sting instrumentalisch ist. (Nebenbei sei erwähnt das er im Laute des Konzertes immer wieder die Akustikgitarre zur Hand nahm) Passte auf jeden Fall sehr gut mit dem dezenten Orchester was sich nie zu aufdringlich dabei prsäsentierte. (Schade das er es nicht mehr, wie noch 2010 als Opener brachte, denn dort gehört es für mich eigentlich wirklich hin)
Englishman In New York: Nach einem kurzen "Guten Abend" und der Bandvorstellung (auf deutsch "am Schlachsseug Rhani Krija"
) gab es einen seiner größten Solohits. Mit "Every Little Thing" war dies das erste was ich letztes Jahr vom neuen Album hörte als Trailer. Die Version live war ok und klang nicht soo anders als das Original. Nach dem Swingmittelteil wenn die paar Takte mit den mächtig klingenden Drums kommen klatschten die Leute dann auch mal mit und das erste Eis war mal gebrochen.
Roxanne: 2008 bei Police begannen für mich in Düsseldorf damit die Zugaben, heute kam es sehr früh im Set. Hier muss ich sagen zum Glück. Textlich kommt sicher mehr das Romantische durch als das "Red Light" aber es klang doch schon sehr zahm. Aber das gehörte für mich zu dem "Experiment" dazu, nämlich auch ein paar Stücke die verfremdet sind.
Straight To My Heart: Nach diesen vier Hits zu Beginn gab es dann etwas nicht so bekanntes vom "Nothing Like The Sun" Album, was mich sehr gefreut hat. Eine tolle Nummer im 7er Rhythmus, von denen Sting ein paar über die Jahre geschrieben hat, ebenso im 5er Takt, die aber nicht zu komplex klingt sondern fast als 4/4 durchgehen könnte wenn man es nicht weiß. Für mich hat die Nummer durch das Händeklatschen so etwas leicht spanisches Flair.
When We Dance: Direkt ein weiterer Favorit folgte mit diesem Song, welcher ursprünglich auf dem Best Of Album "Fields Of Gold: The Best Of 1984-1994" zu finden ist. Hier passte das Orchester sehr gut und vor allem Stings zweistimmiger Gesang mit Jo Lawry kam wirklich klasse. Hat in diesem Setting auf jeden Fall etwas dazugewonnen.
Russians: Plötzlich gab es ein Bombastisches Orchester Intro welches schon reif für Hollywood war. Während "When We Dance" ziemlich am Original gehalten war gab es hier eine komplett andere Version die ich im Verlaufe des Songs nicht schlecht fand aber mir den Song jetzt auch nicht so näher brachte, irgendwie ist es nicht meine Nummer. Trotzdem kam gerade das Orchester hier sehr gut rüber.
I Hung My Head: Nun sollte aber ein Teil folgen in dem mehrere Lieder am Stück profitiert haben, beginnend mit einem Song vom Album "Mercury Falling" im 5er Rhythmus. Der Text ist eine tragische Story eines Cowboys. Sicher ein weiteres Highlight des Abends. Nebenbei sei erwähnt das Johnny Cash auf einer seiner "American Recordings" den Song wirklich klasse coverte.
Why Should I Cry For You?: Daran schloss etwas von Stings wohl persönlichstem Album "The Soul Cages" an welches ebenfalls wunderbar mit Orchester funktionierte und eine klasse Dymanik bot.
Whenever I Say Your Name: Auf dem Studioalbum "Sacred Love" ist es ein Duet mit Mary J. Blige. Da ich ihre Stimme nicht so sehr mag, sie brüllt mir als mal die Lieder zu sehr zu, habe ich am Original nicht so viel abgewonnen. Die Version mit Sängerin Jo Lawry war dann doch viel besser und passte wieder super zur Fusion Band und Orchester. Nebenbei gab es zu Beginn und Ende eine kleine Soloeinlage von einer Geigerin die das ganze sehr gut umrahmte.
Fields Of Gold: Mag vielleicht ein bisschen overplayed sein aber ich mag die Nummer immer noch und auch viele andere Leute applaudierten zu Beginn. Leider verlor es ein bisschen Magie da Sting den Text ein bisschen eigenartige Phrasierungen gab, das war nicht schlecht (und ist ja auch sein Recht), aber irgendwie fehlte dann doch so ein letzter Funke.
Next To You: Sting machte eine Ansage auf deutsch "Nach dem nächsten Song machen wir 20 Minuten Pause, alles klar? ALLES KLAR?" Im Vorfeld hörte ich ein Interview wo Sting über die Entstehung seines Albums meinte er bat verschiedene Arrangeure sich Songs auszusuchen und ein Arrangement zu schreiben. Einer suchte sich echt von Police "Next To You" aus worauf Sting nur meine "Are You Kidding?", aber irgendwie fand ich es lustig. Es klang schon seltsam. Das original stammt vom ersten Police Album "Outlandos D'Amour" und ist sehr rotzig-rockig. Wenn hier das Orchester drüberspielt, aber nicht kitschig sondern passend ryhthmisch, muss man schon grinsen aber es machte allen Spaß. Am Ende machte Sting samt Akustikgitarre sogar noch seinen kleinen "Sprung" als Zeichen das die Nummer vorbei ist. Nachdem sich alle kurz verbeugt haben ging es in die Pause.
Der zweite Teil begann wie er Erste mit einer kurzen Einleitung des Orchesters und dem Einmarsch aller Beteiligten. Sting hatte das Hemd vom ersten Teil gegen ein T-Shirt getauscht.
Shape Of My Heart: Ich weiß nicht warum, aber ich konnte diesen Song noch nie wirklich leiden. Aber das Problem ist das er ziemlich bekannt ist und wohl sehr oft im Set ist. Dazu war die Version nicht extrem anders als das Original. War ganz nett mal zu sehen aber wie gesagt, mir gibt die Nummer nicht viel.
This Cowboy Song: Zum Glück folgte darauf eine Perle des Best Of Albums "1984-1994". Hier ging es dann wieder flotter zu und der Spaß stand an erster Stelle. Am Ende tanzen Sting und die Band vorne ein bisschen. Die Atmosphäre begann sich ein bisschen zu lockern, wobei ich sagen muss das diese nicht zu ernste Atmosphäre dem Abend auch gut tat. Wieder ein Highlight der Setlist und ein viel zu selten gespieltes Juwel.
Moon Over Bourbon Street: Nun wurde es richtig spannend. Ursprünglich auf Stings erstem Soloalbum "The Dream Of Blue Turtles" verewigt, mit einem genialen Basspart, wurde es nun gruselig. Die Bühne war blau angeleuchtet und Sting zog sich einen Mantel über. Im Instrumental Teil ging er zur Bühnenseite und ein Scheinwerfer leuchtete auf seine Hand die groß in der Kamera zu sehen war und extrem zitterte. Die Musik dazu war wirklich passend, als wäre man nachts in den Straßen von New York. Am Ende ließ Sting dann noch einen gruseligen Schrei los. Von den Stücken die man umarrangiert hat war dies wohl das gelungenste.
The End Of The Game: "A Song about a fox, or as you would say in German, ein Fuchs". Eine B-Seite der "Brand New Day" Ära die textlich damals nicht auf das Album passte (stattdessen gibt es nur das "Prelude To The End Of The Game") folgte nun. Ich habe das Original noch nie gehört, aber es schien gut mit dem Orchester zu passen.
All Would Envy: Sting hat den wohl nicht selbst aufgenommen sondern für Chris Botti geschrieben (der es zusammen mit Shawn Colvin aufnahm), zumindest ist das die Information die mir das Netzt ausgespruckt hat. Kam locker leicht daher, war nichts großes aber ok.
King Of Pain: Nun sollte mal wieder einer meiner Top Police Favoriten kommen. Ich habe es immer gemocht aber war 2008 in Düsseldorf überrascht wie geil es live kommt. Ich denke das mir die Police Version immer noch besser gefällt, aber gerade im Refrain und in der zweiten Hälfte kamen auch hier die Livequalitäten super durch.
Every Breath You Take: Naja, es lässt sich ja nicht vermeiden
Ne, ich fands eine gute Version, die Leute im Innenraum durften auch nach vorme womit das Konzert dann auch wirklich locker wurde und endlich konnte man auch mal aufstehen und mitmachen. Das Ende wurde wie schon bei der letzten Police Tour verlängert und schön zelebriert. Danach verließen alle, bis auf das Orchester, zum ersten Mal die Bühne. Das ist auch ein bisschen ein Nachteil, denn solange das Orchester sitzen bleibt weiß ja jeder das noch etwas kommt
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Desert Rose: Die erste Zugabe war wohl sein aktuellster großer Hit als Soloartist. Ich kannte den Song und wusste das er sehr bekannt war, aber der Jubel den das Publikum entfachte als es erklung überraschte mich doch sehr. Das war extremer als bei manchen alten Songs. Ich fand mit dem Orchester klang es stellenweise leicht schräg aber trotzdem eine gute Wahl für die Zugaben, zumal auch die Stimmungen weiter oben blieb. Sting selbst tanzte mehrmals im Laufe der Nummer über die Bühne umher. Unter großem Jubel ging es wieder von der Bühne.
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She's Too Good For Me: Ich hatte gehofft das die Leute sich nicht hinsetzen denn so bekannt ist dieser Rock'n Roll vom 93er "Ten Summoner's Tales" nicht. Aber zum Glück war die Stimmung gut und die Leute blieben stehen wobei ich das Mitsingen trotzdem natürlich nicht so stark war wie z.B. bei "Every Breath You Take". Sting spielte hier übrigens E-Gitarre.
Fragile: Es gab dann aber nach der guten Stimmung doch nocheinmal etwas ruhiges gegen Ende. Passte sehr gut und das Orchester war auch gut eingebunden. Wieder ging es von der Bühne wobei Sting sich noch vor den Treppen umdrehte und zurückkam.
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Message In A Bottle: Hier muss ich erwähnen das ich mir doch mal kurz die Setlist angeschaut hab von diesem Jahr, da es hies er hätte ein paar Songs gestrichen zum Vorjahr und ich wollte auf Nummer sicher gehen und es viele waren (ich glaube es waren 3 oder 4 Stück). Es gab ja keine großen Veränderungen, höchstens die Reihenfolge mancher Songs und sicher wurden ein paar Songs mal getauscht. Jedenfalls dachte das mit diesem Closer dann, nach dem ruhigen "Fragile", ähnlich wie es am Ende des ersten Teils mit "Next To You" der Fall war, eine Art "Tusch" zum Ende kommt. So war ich überrascht das Sting den Song auf der Akkustikgitarre und wurde nur von Rhani Krija an den Percussion sehr dezent begleitet. Es war aber keine ruhige Version denn auch wenn die beiden dezent spielten legten sie es drauf an das das Publikum laut mitsingt und klatscht, was wir natürlich taten. Das war eine tolle Version zum Ende des Abends bevor nun wirklich alle von der Bühne gingen und die Show vorbei war.
Fazit: Wie oben geschrieben, ich sah es als eine Art "Experiment" (vielleicht wird ja mehr draus wenn Sting wirklich, wie im Tourbuch geschrieben, Lust hat speziell für ein Orchester Stücke zu schreiben) und nicht jeder Song passte perfekt. Aber die meisten taten es und einige stachen auch sehr positiv heraus. Das überwiegte den Abend und immer wieder kam der Spaß auch nicht zu kurz. Die Orchestermusiker animierten die Leute zum klatschen und grinsten sogar mal wenn sie nicht spielten aber doch im Bild waren in die Kamera
Die Band von Sting war klein gehalten und eine tolle Mischung denn neben der E-Gitarre gab es ja eher Kontrabass und Percussion zu hören. Sängerin Jo Lawry hat mit stimmlich sehr gut gefallen und immer ihren Spaß gezeigt. Gitarrist Dominic Miller und die anderen Bandmitglieder spielten Songdienlich wobei vor allem Dominic gegen Ende immer lockerer wurde und sich mit der Sängerin das Mikro teilte oder nach vorne ging. Sting genoss den Abend sehr und spielte verschiedene Instrumente, wenn ich eine Sache ein bisschen vermisst habe dann war es sein Bassspiel. Natürlich hatte man zum Orchester passend den Kontrabass (der manchmal auch zum E-Bass wechselte) aber Sting ist so ein unterschätzter Bassist das dies ein bisschen fehlte. (Aber das hat er bei The Police in Düsseldorf dafür sehr ausleben dürfen). Was auch dieses mal wieder sehr gut zur Geltung kam war Stings Stimme die immer noch klasse klingt und sehr wenig eingebüßt hat, natürlich würde er Sachen wie "So Lonely" nicht mehr so hoch singenn können aber trotzdem ist es super das er sich die Stimme beibehalten hat. Wen ich aber besonders hervorheben möchte ist Dirigentin Sarah Hicks. Zum sah die gebürtige Japanerin nicht nur sehr gut aus (meistens sind die Dirigenten ja männlich und oft eher ein bisschen älter, das dies nicht immer sein muss zeigte der junge Ben Foster bei Peter Gabriel im letzten Jahr), nein, viel besser war ihre Leidenschaft des Dirigierens. Sie ging richtig darin auf und lebte die Songs richtig aus. Immer wenn sie auf der Leinwand erschien bestätigte sich das. Die Leidenschaft übertrug sich dann natürlich auf der Orchester und die Band.
Im Gesamten halte ich das Experiment für Gelungen. Ob mir jetzt Police 2008 besser gefiel oder das Orchesterkonzert? Eigentlich vergleicht ich Konzerte nicht gerne, ich denke das mich das Police Konzert (gerade wegen Drummer Stewart Copeland) mehr beeinflusst hat. Aber trotzdem war es gestern ein toller Abend. Nochmals Danke an meine Bekannten durch die ich wohl nicht auf die Idee gekommen währe mir das anzuschauen.
Der Vergleich mit Peter Gabriel geht wohl unentschieden aus da Gabriel sicher intensiver war, vor allem der erste Teil, aber bei Sting die Stimmung immer wieder erhellt wurde.