Hier ein Bericht von
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Rocklegenden
Das großartige Comeback von Led Zeppelin
Die Band Led Zeppelin versetzt mit ihrem ersten großen Konzert seit fast drei Jahrzehnten in London rund 20.000 Fans in Begeisterung. Und versöhnt die alte Rockmusik mit der aktuellen Popkultur. Eine DVD des Spektakels wird es wohl bald geben. Eine Tour schließt die Band kategorisch aus.
Die Pilger tragen glühende Gesichter auf dem Londoner Millenniumsweg. Hinein in O2-Arena, eine Art Sakralbau der Globalisierung, führen sie ihre Adventsgefühle. Denn im Innern findet diesmal nicht nur ein Event statt, der verschiedene Industriezweige verschränkt, sondern ein Hochamt. Anders kann man es nicht sagen angesichts der Prozession und der Punkt 9 Uhr Greenwich-Zeit gemessen auf die Bühne schreitenden Herren. Jimmy Page, der Gitarrist und Gründer von Led Zeppelin, trägt sogar einen schwarzen Gehrock zum schlohweißen Schopf und eine Sonnenbrille.
„Good Times, Bad Times“ spielen sie, das erste Lied auf ihrem ersten Album 1968/69. Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Ja, so geht das heute: Eine ehrwürdige Rockband tritt nach 27-jähriger Pause unter ihrem Namen auf und findet sich in einer Welt der Seifenopern wieder, in Konzerthallen mit Markennamen und als Hoffnungsträger einer zwischendurch verarmten Branche. Eine Band, die früher Fernsehauftritte für einen Fluch hielt und nur widerstrebend Singles freigab. Nun kann das Gesamtwerk downgeloaded werden. Klingeltöne gibt es davon auch.
Drei um die 60- und ein 41-Jähriger verwandeln sich zu Led Zeppelin
Und jetzt die gute Nachricht: Niemand aus den Pioniertagen der Rockmusik hat sein alten Werte bisher so versöhnlich in die Gegenwart gerettet wie die Überreste von Led Zeppelin an diesem Abend. Während ihrer gut zweistündigen Andacht, unter Auslassung der üblichen Folklorerunde. Wie ein projizierter Witz schwebt zunächst ein antiker Fernseher über der Bühne, und die Medienhysterie der frühen Siebzigerjahre wirkt dann doch eher albern. Auch die Popkultur tut gut daran, sich nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Als Led Zeppelin im Spätsommer verkündeten, wieder gemeinsam aufzutreten, landeten 20 Millionen Kartenwünsche online auf dem Server. Die Arena fasst ein Tausendstel. Ergriffen hören es die Auserwählten donnern. Dafür sorgt der Trommler Jason Bonham, dessen Vater im September 1980 volltrunken im Bett erstickte und die Gruppe ohne Schlagzeuger zurückließ.
Nach nur sechswöchiger Probe haben sich drei um die 60- und ein 41-jähriger glaubhaft in Led Zeppelin verwandelt. Wieder droht der Band, fast jedes Stück gewaltig um die Ohren zu fliegen, um am Ende aber immer irgendwie bezähmt zu werden. „Ramble On“, dann „Black Dog“, anschließend wünscht Robert Plant, selbst überwältigt, einen guten Abend und schnauft durch. Sie wagen sich sogar an die Konzertpremiere eines Stücks von 1976, „For Your Life“, in dem es um Zitronen geht, vermutlich bildlich. Danach plaudert Plant gelöst über den Blues der Dreißigerjahre. Anlässlich von „Trampled Under Foot“ und „Nobody’s Fault But Mine“ gesteht er nun den geistigen Diebstahl. Die Autorenschaft von Robert Johnson und Blind Willie McTell galt zwar als offenes Geheimnis, doch nun ist es raus. Um Urheber- und Nutzungsrechte wird im digitalen Zeitalter bekanntlich auch verstärkt gerungen. „Oh yeah?“ schreit Plant. „Oh yeah!“ bestätigen ihm 20 Tausend. Jason Bonham war zum ersten Mal als Siebenjähriger zu sehen, als Led Zeppelin „The Song Remains The Same“, ihren Tourneefilm, 1976 vorstellten. Nun ist er aus gegebenem Anlass restauriert und digitalisiert. Die DVD gewährt für damalige Gäste seltene Einblicke und Nahaufnahmen.
Es wird wohl eine DVD geben
Heute sind die Stadien zwar nicht kleiner, aber die Konzerte haben sich durch Kameras und Plasmaschirme der medialen Aufbereitung angeglichen. Wenn nicht alles täuscht, deuten die um die Band herum huschenden Kameras auf eine baldige DVD dieses Comeback-Spektakels hin. Schon im Konzert wird offenbart dass Robert Plant sich vom Adonis transformiert hat in ein listiges Klageweib. Dass John Paul Jones, der bei bisherigen Comeback-Versuchen meist vergessene Bassist, auf äußerliche Rockmerkmale keinen Wert mehr legt. Und dass sich Jimmy Page mit seinen Klassikern am offensichtlichsten vergnügt, vor allem wenn er die Gitarre mit zwei Hälsen spielt. Die Veteranen machen keinen Hehl aus ihrem Zustand und den Folgen eines liederlichen Lebenswandels. Sie benutzen ihre Videowände nicht einmal zum Kokettieren wie die Rolling Stones es tun. Sie musizieren außerdem für einen guten Zweck: zu Ehren des vor einem Jahr verstorbenen Impresarios Ahmet Ertegun.
Ausdruckstanz und Headbanging
Led Zeppelin hätte es ohne Ertegun so nie gegeben, und die schwere Rockmusik wohl auch nicht. Der Begründer von Atlantic Records hat das Potenzial der Briten während ihrer ersten Reise durch Amerika erkannt. In der Musik Led Zeppelins wurden die Abfälle der Sechziger bewahrt und aufbereitet, Folk und Blues entkernt und alles ohne übertriebene Bescheidenheit zum Werk erhoben, mit Gepolter und Geschrei.Von Jimmy Page wurde das bündige Gitarrenriff erfunden und schon mit okkulten Brauchtümern verbunden. Seit sich Heavy Metal als Rebellensoundtrack in der bürgerlichen Mitte wieder findet, können bei der Wiederauferstehung von Led Zeppelin kaum Fehler unterlaufen. Es sind sämtliche Bewegungsarten auf den Rängen zu beobachten. Vom Ausdruckstanz über das Headbangen, die Luftgitarre und gereckte Teufelshörnchen bis zur reglosen Erleuchtung. Man darf das Konzert sowohl als Darbietung einer archaischen Musik betrachten als auch unter dem Aspekt der Dienstleistung für Kunden, die weit über hundert Pfund dafür bezahlen. Alte Zeiten, neue Zeiten. Dafür werden liebenswürdige Details vergrößert wie das brennende Zeppelin „Hindenburg“ über Lakehurst auf Jason Bonhams Basstrommel. Oder die kryptischen Symbole von „Led Zeppelin IV“ auf Jimmy Pages Verstärker. „Es gibt Songs, die muss man einfach spielen“, sagt Robert Plant. „Im Sinne eines dynamischen Abends.“ Schlagworte
Led Zeppelin Robert Plant Jimmy Page London Rock Konzert Nach „No Quarter“ und „Since I’ve Been Loving You“ steigert sich die Dynamik ins schier Unermessliche mit „Dazed And Confused“. Unter dem rasenden Gebrüll des Publikums streicht Page die Saiten mit dem Cellobogen. Eine grüne Laserpyramide stülpt sich über ihn und dreht sich. Daran schließt „Stairway To Heaven“ an, ein Song, für den es gute Gründe gäbe, ihn zu unterschlagen. Aus der Sicht von Page wegen der häufig unterstellten Satansbotschaften. Für Plant weil er ihn einmal „Bloody wedding song“ genannt hat. Für die Allgemeinheit, weil das Lied bis vor zehn Jahren noch das meist gespielte Stück im Radio war. Aber sie führen es wieder mit Inbrunst auf, und alle freuen sich. Dann noch „The Song Remains The Same“ und „Kashmir“. Selbstverständlich dient als Zugabe „Whole Lotta Love“, wenn man so will, die eindrucksvollste Darstellung eines Orgasmusses in der Musik. Entsprechend selig macht sich die Gemeinde schließlich auf den Heimweg. Robert Plant wollte noch einmal „einer Welt salutieren, die mit Ahmet Ertegun starb.“ Led Zeppelin scheinen sich allerdings auch in der neuen Welt zurechtzufinden. Eine Tour schließen sie kategorisch aus. Wir nicht.