Habe mich so auf das Live-Album von Jason Isbell gefreut. Ist allerdings in meinen Augen/Ohren eine riesige Enttäuschung. Hier meine Amazon-Rezension (2 Sterne):
Lieblose Collection von grandiosen Live-Songs Jason Isbell gehört zweifelsohne zu den aktuell besten Songwritern aus der Americana-Szene. Seit seinem Rauswurf bei den Drive by Truckers hat er ausschließlich gute bis sehr gute Alben herausgebracht, seine letzten drei Alben „Southeastern“, „Something more than free“ und „The Nashville Sound“ gehören sicherlich mit zu den besten Americana-Alben der letzten Jahre. An den Songwriterqualitäten und auch den Songs auf diesem Live-Album, seinem zweiten nach „Live from Alabama“ von 2013, gibt es daher auch gar nichts zu mäkeln. Auch an der Songsauswahl, ausschließlich Songs der letzten drei Alben, ist nichts auszusetzen. Natürlich fehlen wie bei jedem anderen Best Of- oder Live-Album einige persönliche Favoriten. Ein ganz großes „Aber“ gibt es aus einem anderen Grund.
Ein Live-Album sollte m. E. ein Konzerterlebnis so gut wie nur irgend möglich wiedergeben, man sollte sich in den Konzertsaal hineinversetzen können. Ganz hervorragend umgesetzt hat das zuletzt Little Steven mit seinem Doppel-Live-Album „Soulfire Live“, das das komplette Konzert von Anfang bis Ende beinhaltet. Bei „Live from the Ryman“ handelt es sich dagegen nicht um eine Live-Performance, die auf Platte oder CD gepresst wurde, sondern um eine Ansammlung von live aufgenommenen Songs, auch wenn die Reihenfolge der Songs der bei den Konzerten performten Reihenfolge entspricht. Und dennoch kommt kein Live-Gefühl auf, weil einzelne Songs rausgeschnitten wurden und man als Hörer nie das Gefühl hat, Teil einer Live-Show zu sein. Das Album beginnt mit dem ersten Song, vor dem ersten Ton ist nicht einmal das Publikum zu hören. Keine Begrüßung oder erwartungsvolles Klatschen der Fans - nichts! Zwischen den Songs wird das Publikum dann schon mal ausgeblendet, bevor der nächste Song quasi aus dem Nichts beginnt. Ansagen von Jason Isbell sind sehr rar und beschränken sich meist auf ein „Thank-you“. Ich habe mir eines der Ryman-Konzerte auf YT angesehen und da sieht man, dass Isbell durchaus viel erzählt hat, umso unverständlicher ist, dass das hier alles rausgeschnitten wurde. Der Knaller im negativen Sinn ist das Ende: Nach dem letzten Song „If we were Vampires“ gibt es ein kurzes „Thank-you, that´s another song off our new record“ – und aus ist das Album!
Enttäuschend ist auch der Klang. Das Album hört sich wie ein mit einem Smartphone aufgenommenes Bootleg an. Auch hier wäre sehr viel mehr möglich drin gewesen. Der Sound im Ryman soll eigentlich superb sein und selbst bei der erwähnten YT-Aufnahme klingt es besser als hier. Dass Jason Isbell auch live super klingt, konnte ich bei seinem tollen Konzert im November 2017 in Berlin selbst erleben und auch sein erstes Live-Album ist vom Klang her besser als dieses hier.
Weiterer Kritikpunkt: Auf eine CD passen heute knapp 80 Minuten Musik, die Konzerte von Jason Isbell waren im Durchschnitt etwa 90-100 Minuten lang. Warum begrenzt man das Album dann aber auf eine Länge von nicht einmal 59 Minuten und „verschenkt“ 20 Minuten?
In das negative Gesamtbild passt, dass auch die CD-Verpackung sehr enttäuschend ist. Dem dünnen Booklet, das eher ein Inlay ist, beinhaltet die Namen der Bandmitglieder und ein paar Danksagungen, ansonsten nichts! Da beschweren sich Künstler immer häufiger, die Hörer würden Musik nicht mehr richtig wertschätzen und sich nur noch die Musik streamen und dann legen sie eine CD in solch einer lieblosen Verpackung vor, die absolut keinen Anreiz bietet, sich eine CD zuzulegen. Insgesamt ein leider sehr enttäuschendes Live-Album von einem meiner derzeit absoluten Lieblingskünstler. Eine lieblos zusammengestellte Collection von Live-Songs in unbefriedigender Klangqualität. Ein Kauf lohnt sich für diejenigen dennoch, die die Songs auch in ihrer Live-Version haben wollen, allerdings reicht m. E. der Download völlig aus, denn die CD bringt keinerlei Mehrwert.
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