So, jetzt ist es an der Zeit, dass auch ich Euch nerve. Während es mir für 2006 äußerst schwer fiel, überhaupt 10 Alben zu finden, die gut genug waren, in eine aussagekräftige Top10 aufgenommen zu werden, war ich von 2007 doch ziemlich begeistert. Während das Radio immer langweiliger vor sich hin dudelte, überschwemmte mich der CD-Markt mit echten Perlen. Da vielleicht den ein oder anderen die ein oder andere CD, die mich dabei begeistert hat, interessieren könnte, ist aus der Top 10 eine Top 25 geworden. Also, los geht’s:
Meine ganz persönliche Alben-Top-25 des Jahres 2007
1. Bruce Springsteen – Magic
Nachdem Bruce es letztes Jahr nicht auf die „1“ geschafft hat, war er jetzt wieder fällig. Magic ist das Album, welches mich am meisten vom Hocker gerissen hat und zugleich das Album, welches gar nicht mehr den Weg aus meinem CD-Player gefunden hat.
2. Last Train Home – Last good kiss
Der Beginn erinnert – wie Glitterhouse Records zu Recht schreiben - an ein akustisches “The Passanger”. Was dann folgt, ist schlichtweg erste Sahne: Americana in verschiedenen Stilarten, stets geschmackvoll arrangiert und umwerfende, eingängige Melodien. Dazu die einzigartige Jen Gunderman (ex Jayhawks) an den Keys, die das eigentliche Highlight darstellen. Stets werden die diversen Tasteninstrumente äußerst treffend in die Songs eingearbeitet, ohne sie zu dominieren. Nähme man sie indes fort, ließen sie eine nicht mehr zu schließende Lücke. Absolute Empfehlung!
3.Okkervil River – The Stage Names
Ein herrliches Alternative-Album mit zielsicheren Arrangements und stets äußerst unerwarteten Wendungen in den Songs. Dazu gesellt sich eine rohe, aber dennoch ausgefeilte Produktion, die dem Ganzen ein Stück Einzigartigkeit verleiht. Die Stimme von Sänger Will Sheff erinnert in der „Getriebenheit“ ein wenig an Robert Smith von „The Cure“ (eine Band, die ich übrigens gar nicht mag).
4. JJ Grey & Mofro – Country ghetto
Ein Album, welches Blues- und Soulelemente sowie Southern-Rock-Anleihen zu einer einmaligen Mixtur verzwirbelt. Das ganze ist teils dem (echten) Rhythm ´n´ Blues nicht unähnlich (Bitte keinesfalls mit dem heutigen R´n´B-Schrott verwechseln). Vergleiche mit weitaus bekannteren Künstlern wurden von Plattenverkäufern und Presse zu Hauf angestellt, doch trifft die nicht dieses durchaus eigenständige Werk.
5. The Coral – Roots and Echoes
Begeben wir uns zurück in die Zeit des Mersey-Beats. In die Zeit, als die Songs noch Melodiebögen hatten, Frauennamen in ihren Titeln trugen und die Welt auch sonst – zumindest bei den Songs – in Ordnung schien, wollen uns The Coral versetzen. Und das gelingt ihnen auf fulminante Art und Weise. Das ganze wird erfrischend „direkt“ produziert und erhält nur ein Löffelchen eines modernen Klangs. Das tut dem Album auf besondere Art und Weise gut.
6. Cowboy Junkies – Trinity revisited
20 Jahre nach ihrem Erstling “The Trinity Session” begeben sich die Timmins Geschwister erneut in diese kanadische Kirche, um ihren Erstling mit Unterstützung von Natalie Merchant (ex 10.000 Maniacs), Ryan Adams und Vic Chesnutt neu einzuspielen. Herausgekommen ist Musik für den Kamin im kalten Winter: äußerst warm produziert, live eingespielt und einfach schön. Musikalisch einwandfrei und unglaublich intim gespielt. Dazu gibt es diese hervorragende DVD mit den Aufnahmen der gesamten CD und einer interessanten Doku. So veröffentlicht man CD + DVD Combos.
7. Ryan Adams – Easy Tiger (inkl. Follow the lights EP)
Schön, dass Easy Tiger jetzt auch als Special Edition mit der Follow the lights EP zu haben ist. Insgesamt bewegt sich Ryan nach zwei – wie ich finde – eher mauen Alben (Jacksonville City Lights und 29) wieder zurück zu dem Band-Sound des Cold roses-Albums und liefert damit ein Werk ab, welches neben Gold (unübertrefflich), Heartbreaker und dem besagten Cold roses zu seinen besten Alben nach Whiskeytown-Zeiten zählt.
8. Richard Thompson – Sweet Warrior
Richard Thompson schnallt die E-Gitarre wieder um und rockt uns an die Wand. Ein hervorragendes Spätwerk, bei dem nahezu jeder Song zündet. Dass Richard immer noch kein „Sänger vorm Herrn“ ist, dürfte jedem Hörer direkt auffallen. Wie es im aber gelingt, diese Stimme in das Umfeld seiner Songs zu integrieren, ist faszinierend.
9. Arcade Fire – Neon Bible
Ein Album, über das hier schon viel geschrieben wurde. Es wird auch weiterhin die Hörer spalten, jedoch sollte man sich die Zeit nehmen, das Album wirklich zu hören. Die Songs entwickeln sich, setzen sich fest und es ergibt sich ein äußerst stimmiges, gut arrangiertes, wenn auch leider klanglich etwas blasses Gesamtkunstwerk. Wirklich äußerst gelungen!
10. Cowboy Junkies – At the end of paths taken
Und noch einmal die Cowboy Junkies. Bei diesem Album handelt es sich jedoch – anders als bei Trinity Revisited – um neues Material. Wiederum sticht der besondere Stil der Junkies hervor: Zurückgenommen relaxt – und in jedem Song mindestens eine überraschende Wendung. Übrigens und zur Vermeidung von Missverständnissen: Mit Country-Musik hat das ganze trotz des Bandnamens nichts zu tun.
11. Ben Lee – Ripe
Schönster Singer-Songwriter-Pop mit wunderbaren Melodien und guten musikalischen Einfällen. Dass dazu noch hervorragende Musiker am Werk waren, führt zu einem wirklich großartigen Ganzen.
12. Mark Knopfler – Kill to get crimson
Mark Knopfler wird von Album zu Album ruhiger und zurückhaltender. Auch wenn ich mir durchaus mal wieder ein Dire-Straits-Album wünschen würde, so hat auch dieser Stil eine Menge zu bieten: Schönste Song-Perlen in klanglich sehr gutem Gewand. Ich bin auf die Tour gespannt...
13. Back Door Slam – Roll away
Die British-Blues-Explosion der 60er/70er ist zurück. Back Door Slam kümmern sich einen Dreck um aktuelle Konventionen und spielen dichten und klassischen Blues-Rock mit Anleihen bei Cream, John Mayall’s Bluesbreakern, Rory Gallagher und den Yardbirds. Das ganze kommt zudem erfreulich frisch rüber, sodass Back Door Slam eine der Entdeckungen des Jahres 2007 sind.
14. Robert Plant & Alison Krauss – Raising sand
Was kommt heraus, wenn man den Mittlerweile-Wieder-Led-Zeppelin-Sänger mit der Königin der Bluegrass-Fiddle und dem Roots erfahrenen Produzenten T-Bone Burnett in ein Studio sperrt? Ein hervorragendes Roots-Werk unter Verbindung beider Talente. Musikalisch klar aufgegliedert merkt man, dass die Welten der beiden Hauptprotagonisten so weit gar nicht auseinander zu liegen scheinen und beide zudem auf der gleichen Wellenlänge liegen.
15. Ry Cooder – My name is Buddy
Wem Springsteen Seeger Session zu wenig traditionell waren, der sollte sich dieses Album über die Erfahrungen eines Katers (Buddy), der das Amerika der Arbeiterklasse besucht, zulegen. Was als reiner Folk beginnt, entwickelt sich schließlich in die unterschiedlichsten Musikstile Nordamerikas: Soul, Blues, Country, Rock – je nach Situation werden kongenial zu einem erstaunlich stimmigen Gesamtkonzept verwoben. Dazu gibt es eine gelungene Verpackung im Stile eines Bilderbuchs, in dem man die Abenteuer Buddys noch einmal nachlesen kann.
16. Markus Rill – The things that count
Letztes Jahr ist er mit dem Vorgänger-Album (eines meiner All-Time-Favourites) noch auf Platz 1 gelandet. Dieses Jahr muss er sich mit Platz 16 zufrieden geben. Dennoch: Markus Rill ist Deutschlands bester Songwriter, wenn es um klassisch Amerikanische Musik im Spannungsfeld zwischen Roots und Alt.Country geht. Lauter als der Vorgänger, ist Rill insbesondere musikalisch weiterhin auf dem Höhepunkt. Dazu scheint er noch ein echt netter Kerl zu sein: Bestellt man seine CD auf seiner eigenen Homepage gibt’s die Antworten persönlich vom Meister.
17. Steve Earle – Washington Square Serenade
Vom Country-Rocker über den Kravall-Country-Rock-Junkie über den Wierentdecker des Bluegrass zum Singer/Songwriter und Ehemann. Dort ist Earle jetzt angekommen und liefert ein reifes eher akustisch orientiertes Werk ab, welches seine – immer schon vorhandenen – Songwriterqualitäten deutlich in den Vordergrund setzt. Lohnenswert!
18. Joe Bonamassa – Sloe Gin
Blues-Rock vom Feinsten! Während Bonamassa auf vorherigen Alben jedoch nahezu ausschließlich auf die Power der verzerrten E-Gitarre setzte, sind seine Arrangements nun deutlich ausgefeilter. Das nimmt ihm zwar ein wenig das Rohe, tut der Musik aber gut.
19. Joan Aramtrading – Into the Blues
Noch ein Blues-Album, wenn auch aus einer anderen Richtung. Joan Armatrading versteht den Blues feiner, achtet auf Nuancen und lässt jeden Ton erklingen und wirken. Hierdurch ergibt sich musikalisch ein transparentes Bild, welches ihre schönen Songgebilde in den Vordergrund stellt. Dazu gesellt sich eine klanglich hervorragende Produktion.
20. Robben Ford – Truth
Wo wir gerade beim Blues sind: Unbestritten ist Robben Ford ein hervorragender Blues-Gitarrist, der es insbesondere versteht, seine Songs auch denjenigen zugänglich zu machen, die mit Blues-Rock ansonsten wenig anfangen können. Einerseits traditionell, anderseits unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die ihm musikalisch benachbarte Stile wie Funk, Jazz und Soul bieten, pendelt er sich zwischen den beiden zuvor genannten Alben ein.
21. Parsons/Thibaud – Parsons/Thibaud
Zwei Blue-Rose-Artists tun sich zusammen: Was als Support Parsons für Thibaud und gemeinsame Aktivitäten in der Singer/Songwriter „Supergroup“ Hardpan begann, entwickelte sich zur echten Freundschaft, der eine gemeinsame Tour folgen sollte. Also produzierte man noch flugs ein gemeinsames Album, welches zum Großteil aus älteren Songs der Herren besteht. Die wurden freilich neu arrangiert und eingespielt. Heraus kam ein zurückhaltend instrumentiertes Album von großer Schönheit. Tatsächlich eine Bereicherung!
22. Jason Isbell – Sirens of the ditch
Lange hatte es Jason Isbell bei den Drive by Truckers nicht ausgehalten. Man hat sich jedoch wohl in Freundschaft getrennt – zumindest spielen einzelne Mitglieder dieser zwischen Country-Rock und Southern Rock pendelnden Band als Gäste auf Isbells erstem Solo-Album. Dieses zeichnet sich durch herrliche Americana-Songs aus, die musikalisch ansprechen und sich in den Gehörgängen festsetzen.
23. Marc Cohn – Join the parade
Was hat dieser Mensch hinter sich? Ein Erfolgsalbum Anfang der 90er, dem er zwar zunächst zwei weitere Alben nachfolgen ließ, dessen Genialität er aber nicht mehr erreichen konnte. Dann zog er sich zurück und begab sich 2005 auf eine Tour. Dort wurde er beim Verlassen eines Parkhauses angeschossen und mit einem Kopfschuss ins Krankenhaus eingeliefert. Er überlebte wie durch ein Wunder und legt nun sein erstes Studio-Album seit 9 Jahren vor. Hier hat er seine alten Songwriter-Qualitäten wiederentdeckt. Weiterhin spielt er sein Piano in unvergleichlicher Weise. Zugleich haben seine Songs aber die Ecken und Kanten erhalten, die er auf „The Rainy Season“ (1993) und „Burning the daze“ (1998) vermissen ließ. Ein würdiges Comeback!
24. Dustin Bentall – Streets with no lights
Ein Album, über das ich nur zufällig gestolpert bin. Die Musik klingt tatsächlich nach den Titel gebenden Straßen: Geradliniger Alt.Country/Roots-Rock, der bereits beim ersten Hören überzeugt. Das ganze ist durchweg handgemacht und weist teilweise sehr schöne Harmoniegesänge auf. Eines zeigt sich auch hier wieder: Die besten Americana-Alben kommen derzeit aus Kanada.
25. Chuck Prophet – Soap & Water
Chuck Prophet ist eigenwillig – so lässt zumindest seine Musik vermuten. Er lässt sich in keine Schublade stecken, experimentiert mit unterschiedlichen Sounds und Stilen, mixt Blues mit elektronischer Musik, verbindet das ganze mit Alt.Country und entwickelt so einen höchst eigenen, immer überraschenden, teilweise verstörenden Stil. Das Album selbst ist demgemäß zunächst eher sperrig, erschließt sich aber nach einigem Hören. Es lohnt sich!
So, vielen Dank an alle, die bis hierhin durchgehalten haben. Vielleicht ist ja was für Euch dabei. Das würde mich wirklich und ehrlich freuen.
Zum Schluss möchte ich Euch meine größten musikalischen Enttäuschungen des Jahres 2007 nicht vorenthalten:
1. The Hooters – Time stand still
Wäre die Zeit wirklich stehen geblieben, wäre das gar nicht schlimm gewesen. Ich habe die Hooters immer sehr geschätzt und gerne gehört. Was sie sich allerdings bei dem aktuellen Album gedacht haben, erschließt sich mir nicht. Es klingt, als hätte man gezielt den Ausschuss, den man damals nicht für würdig befunden hat genommen, davon die langweiligsten Nummern ausgewählt und mit der altbewährten Produktion überzogen. Sorry, Jungs, das war nichts...
2. Gov’t Mule – Mighty high
Ja, da müssen die Jungs um Warren Haynes tatsächlich ganz schön Mighty High gewesen sein. Da werden vor allem hervorragende Songs genommen und mit Möchtegern-Reggae-Dub vollends verwurstet. Das klingt nicht nur höchst beschissen, sondern macht angst vor zukünftigen Veröffentlichungen der eigentlich hervorragenden Jam-Band.
3. Das Radio
Eigentlich müsste man sich bereits daran gewöhnt haben: Das Radio bringt nur noch Müll. Ich war letztens mit einem Mietwagen unterwegs und hatte meine CDs vergessen. Ich habe mich selten so gelangweilt: Austauschbare, dynamikreduzierte, gleichgeschaltete Weichspülmusik auf allen Sendern. Ich hatte mich dann am Ende für einen Klassik-Sender und Wortbeitragssender im Wechsel entschieden.
Also, ich hoffe ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt. Wenn doch: Sorry! Bis zum nächsten Jahr wird kein Artikel von mir auch nur annähernd so ausufernd sein. (Das kann als Versprechen gewertet werden.)
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