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Oder ein Machtinsignium, wie ein Zepter.
Mit SIcherheit ist die Conch ein Machtinstrument, aber nicht im Sinne von autoritärer Macht. Auch demokratische Instanzen haben Macht. In diesem Falle dient Sie dazu, Ordnung zu schaffen, Treffen einzuberufen etc. SIe hat also einen nützlichen Zweck und nicht nur eine symbolische Wirkung. Sie sorgt für Ordnung. Eine Pausenklingel in der Schule oder eine Glocke im Theater, um das Ende der Pause anzukündigen würdest du wohl auch kaum als Machtsymbol bezeichnen.
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Ja, ähnlich wild, gefährlich und bedrohlich wie in Joseph Conrads Herz der Finsternis, was zeigt, dass das die Ansicht eines Briten über die Kolonialreiche war, eine gefährliche Wildnis. Den Herrn der Fliegen als Gegenentwurf bzw. "Entmythifizierung" zu den paradiesischen Südseebeschreibungen zu verstehen, halte ich für kaum haltbar.
Ballantyne war auch Brite und schrieb Coral Island; eine ganz andere Sicht über eine unbevölkerte Insel. Alles mehr oder weniger krampfhaft auf die britische Kolonialpolitik zu beziehen finde ich sehr fragwürdig.
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Und auch die Farben der Revolutionsfahne von 1952 (also kurz vor Erscheinen des Herrn der Fliegen) des ehemaligen britischen Protektorats Ägypten.
Auch die Farben der Volksrepublik Jemen, die noch bis 1967, also nach Erscheinen des Buches unter britischer Kontrolle stand.
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Einer der Gründe, weshalb ich der Meinung bin, dass Ralph überhaupt kein demokratisches System einführt. Er lässt sich ganz am Anfang wählen, das ist der einzige demokratische Prozess im ganzen Roman, aber da er da schon die Muschel in der Hand hat, ist das eher ne sehr fragwürdige Wahl. Und die Wahl eines Anführers allein macht auch noch lange keine Demokratie, Stammeshäuptlinge wurden oft gewählt, Piraten wählten ihren Kapitän, eine Demokratie ist beides trotzdem nicht, bei kleinen Gruppen ohne traditionelle Machtansprüche ist eine Wahl eher ein ganz natürlicher Vorgang (oder um deutlich zu machen wie ungenau Golding da konstruiert: ein "wilder" Vorgang, der keiner Ordnung bedarf und somit unzivilisiert ist).
Den Prozess um Ralph als unzivilisiert zu betrachten ist ein Widerspruch mit dessen weiterer Rolle. Ralph wird sicherlich hauotsächlich aufgrund seinen Charismas gewählt (welches Piggy z.B. nicht hat), aber er ist es ja, der ein Regelwerk aufstellt, der durchaus richtige Vorschläge macht und für Ordnung sorgt. Er versucht (im Gegensatz zu Jack) keine Meinung unberücksichtigt zu lassen. Und nur weil nicht über jede Entscheidung abgestimmt wird, heißt es nicht, dass Ralphs Führungsstil keine demokratischen Elemente aufweist. Denn in der BRD ist es ja auch so, dass wird, die Wähler, unsere Macht abgeben an unsere Vertreter, welche dann die ENtscheidungen treffen. Und dies geschieht eben auch bei Lord of The Flies. Im Gegensatz zu Jack setzt sich Ralph nicht selbst als Führungspersönlichkeit ein. Er stellt sogar unmittelbar die Wahl zwischen ihm und Jack, obwohl Jack ja ebenfalls eine autoritäre und charismatische Persönlichkeit ist (auch ohne Muschel).
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Ralph lässt sich nicht nur wählen, er gibt sich selbst auch eine herausragende Position und Rechte, er hat mehr Rechte als der Rest, was mit einer Demokratie unvereinbar ist, er ist gewählt und somit vom "Volk" legitimiert, aber es ist keine "Volksherrschaft". Auch da erzeugt Golding eher das Bild einer parlamentarischen Monarchie, also das britische System, das für ihn mit "der Zivilisation" gleichzusetzen ist.
siehe oben. Außerdem spielt es wohl kaum eine Rolle, ob Golding eine parlamentarische Monarchie im Auge hatte oder ein Modell wie es in anderen Teilen der Wlet üblich ist. Entscheidend ist doch, dass hier eine Gegenüberstellung stattfindet. Faschismus, welcher durch Jack repräsentiert wird und Demokratie. Der Leser blickt also auf eine Art Labor in welchem er beobachten kann, wie die freiheitliche Ordnung an Zuspruch verliert und der Faschismus die Führung übernimmt.
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Auf keinen Fall!
AUf jeden Fall!
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Nicht Demokratie! Zivilisation! Und das ist genau mein Punkt, denn das war ein typisches Erklärungsmodell für das Scheitern des britischen Kolonialismus: wir haben die Vorteile unserer Idee nur nicht ordentlich rübergebracht. Das System selbst war okay.
Vielleicht mag für Golding gelten Demokratie = Zivilisation. Aber ich sehe hier keine parallele zum Kolonialismus. Dieses Buch hätte sicherlich auch ein Franzose oder ein Deutscher schreiben können. Nur weil Golding Brite war, eine Verteidigung der Kolonialherrschaft herbeizureden finde ich übertrieben.
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Die "Verwilderung", die Golding bei den Kindern beschreibt, entspricht ziemlich genau dem Klischee, den der durchschnittliche Brite von einem Zulu hatte. Und genau das ist es, was ich meine, denn das ist die Vorstellung des britischen Imperialismus. Glaubst Du die Briten haben gedacht: "Juppadidei, wir unterdrücken jetzt die Welt, beuten indigene Völker aus und rauben ihre Rohstoffe"? Nein, die hatten natürlich einen missionarischen Gedanke, nämlich: "Wir bringen diesen Menschen, diesen 'Wilden' die Zivilisation, im Zweifelsfall eben auch mit Gewalt".
Absolut richtig. Das haben sich die Pilgrims auf dem Amerikanischen Kontinent auch gedacht. Stichwort Manifest Destiny und Spirit if the Frontier.
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Und genau das schwingt auf den letzten drei Seiten des Herrn der Fliegen durch.
Nein!
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Wie jetzt? Demokratieakzeptanz durch Bildung oder durch Gewaltmonopol? Wer das Gewaltmonopol hat, bestimmt das System, egal ob Demokratie oder Faschismus, mit dem Gewaltmonopol braucht niemand für die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu sorgen, der bleibt gar nichts anderes übrig.
Richtig. Aber kein System, keine staatliche Ordnung kann ohne Gewaltmonopol bestehen. Deswegen kann Ralph seine Regeln nicht durchsetzen. Jeder Macht das, was er will, insbesondere Jack. Aber jede Führung muss auch akzeptiert sein. Und Ralph ist nicht akzeptiert, weil er die anderen Kinder von seiner Idee nicht überzeugen kann. Er beansprucht eine Führungsposition und schränkt die Freiheit ein, um Sicherheit zu schaffen, aber die Botschaft kommt nicht an.