20.10.2002, 3 Uhr: Mein Vater und ich machen uns auf in Richtung Berlin. Gerüchten zufolge soll dort ein amerikanischer Rockstar spielen, Bruce Springsteen ist sein Name
Nach knapp 4 Stunden, 450 km und der Begegnung mit insgesamt 20 Autos auf der gesamten Strecke treffen wir in Berlin ein, Paul Heise-Straße. Ich wundere mich...Wo zum Geier ist das Velodrom? Nach 10 Minuten finden wir den Eingang, es ist jetzt ca. 7.20 Uhr. Meine Nummer (79) erhalte ich beim 8 Uhr Roll Call. Die nächsten Stunden ist alles ganz entspannt, bis um ca. 11 Uhr die Ordner anfangen, die Absperrungen aufzubauen...Jetzt sind wir sozusagen "Trapped". Dicht gedrängt stehen wir da und warten, unterhalten uns und ich rauche Unmengen an Zigaretten...Gegen 3 Uhr Nachmittags, die Temperaturen wurden endlich erträglich, hatte ich keine Kippen mehr und mein Mund war total (und damit meine ich total) ausgetrocknet. Ein Glück, daß mein Vater dabei war, der um diese Uhrzeit mit 2 Dosen Cola und 'ner sehr leckeren Pizza mit Spinat nach hartem Kampf mit der Security an die GA-Line kam und mich (bzw. meinen Magen und meinen ausgetrockneten Mund) seeeehr glücklich machte
Dabei mag er Bruce nicht mal und hat sich das Konzert auch nicht mitangesehen. Um 17 Uhr sollte laut Karte der Einlass vonstatten gehen, woraufhin uns von den Security-Menschen mitgeteilt wurde, daß vor 18 Uhr gar nix passiert. xxxx, noch 'ne Stunde länger rumstehen. Meine Beine sind inzwischen sehr schwer und ich fange an, die Müdigkeit zu merken. Auf einmal ging es los: Ticket in die Hand, die Ordner schreien irgendwas von "ruhig bleiben". Nix da, Ticket abreißen lassen, Photoapparat geschickt mit reingeschmuggelt und BEINE IN DIE HAND. Ich lande ganz weit vorne, ca. 5 Reihe im Pit vor Bruce's Mikro. Abstand zur Bühne vielleicht 5-6m. Ich kann es zunächst kaum glauben...Nach weiteren 2 Stunden des (diesmal sitzenden) Wartens gingen die Lichter aus. Ich stehe auf und verdecke wahrscheinlich somit einigen Leuten die Sicht
Und da kommen sie, einer nach dem anderen. Danny, Roy, Nils, Steven, Max, Patty, Soozie, Clarence und BRUUUUUCE
Unglaublich, daß man den Kerl mal so aus der Nähe sieht...Fand ich sehr beeindruckend, eine Wahnsinnsausstrahlung hat der Typ. Los gehts mit "The Rising". Ich singe, tanze, springe, was meine durch den Tag arg gebeutelten Lungen hergeben
, es geht direkt weiter mit Lonesome Day. Ich bewundere Bruce's Fähigkeit, ein Publikum zu kontrollieren und mit ihm zu spielen. Ich schaue kurz nach hinten und bin wahnsinnig beeidruckt, ca. 25000 Hände beim "It's alright, yeah"-Part nach oben fliegen zu sehen. Mit The Ties That Bind geht's weiter, der erste "HOLY SHIT"-Moment des Abends...Ich traue meinen Ohren nicht und springe löblichst auf und ab
Atlantic City ist die erste Pause, obwohl auch da lauthals mitgesungen wird, und zwar nicht nur von mir, hehe. Empty Sky und You're Missing sind wirklich sehr bewegend. Vor allen Dingen die Ruhe im Publikum, die man wirklich spüren kann...Waitin' On A Sunny Day geht ab wie Schmidts Katze, die ganze Halle auf den Beinen, die Arme schwingen hin und her und es wird wieder gesungen, was das Zeug (und die Stimmbänder) hält...Als nächstes ertönte nur ein langgezogenes MAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAX, woraufhin der Typ mit dem langen Vornamen anfängt, ein Drum-Intro zu kloppen. "Kann das sein?", frage ich mich. "Spielt der wirklich No Surrender?" 5 Sekunden später lassen Nils und Bruce die Gitarren qualmen und haben "fire on the fingertips", als sie das Intro zu No Surrender spielen. Die Halle tobt. Nach sehr anstrengenden 5 Minuten geht Bruce zu Stevie und gibt ihm zu verstehen, daß Two Hearts als nächstes gespielt werden soll. Klasse, Bruce und Stevie gemeinsam am Mikro...Das ich das noch erleben darf
Worlds Apart ist als nächstes dran. Einige finden, daß das Lied die Show killt, was ich allerdings etwas anders sehe. Gesamtmusikalisch gesehen ist der Song sehr komplex und absolut stimmig. Der einzige Rocksong, bei dem aus meiner Sicht die Halle nicht explodiert. Doch, zumindest einer explodiert, und das ist so ein Typ, der im Pit steht...So ca. 5. Reihe vor Bruce
Badlands ist der ABSOLUTE WAHNSINN. Sowas habe ich noch nicht erlebt, mehr kann ich dazu nicht sagen...Einfach unglaublich. Danach gehts gleich weiter mit She's The One und NoneButTheBrave ist an dem Zeitpunkt angelangt, an dem er glücklich sterben könnte. Von mir aus hätte Bruce zu diesem Zeitpunkt SCHLUSS machen können, es wäre mir egal gewesen. Aber nicht doch, es kommt noch besser. NIGHT!!!!!! Einer meiner All-time favorites...Meine Kinnlade klappt herunter und ich bin völlig fassungslos. Danach ist Mary's Place dran. Ich hätte nie erwartet, daß die Simmung auch bei diesem Song so grandios rüberkommt. Bruce will zum ersten Mal den "Let it rain"-Part singen, das Publikum ist allerdings so freundlich und gönnt seinen Stimmbändern 'ne kurze Pause
Nach ca. 15 Minuten geht's weiter mit Counting On A Miracle und ich beschließe, doch tatsächlich mal 'n Ründchen Pause zu machen
Nachdem ich mehr als die Hälfte des Konzertes singend, tanzend und springend verbracht habe, habe ich mir selbige auch redlichst
verdient
Bruce setzt sich ans Klavier...Was spielt er? Es ist ein Request, "speziell für Berlin", wie der Herr Springsteen ganz höchstpersönlich auf Deutsch zum Besten gibt. Und dann kommen die ersten Akkorde von The Promise. Ich kann es kaum glauben und bin dem Zusammenruch nahe...Die zweite Stelle, an der mich ein Blitz hätte treffen können und mir wär's vollkommen egal gewesen
Dann auch noch INCIDENT!!!!!!!! NoneButTheBrave ist endgültig reif für Bonnies Ranch
und kann es kaum glauben. Nicht zu fassen! Das musste ich erstmal realisieren und habe mir 'ne Kippe angemacht
Die Band kommt wieder auf die Bühne und Patti fängt an, das Intro zu Into The Fire zu jaulen (Sorry an die Patti-Fans, aber ich mag ihre Stimme einfach nicht). Eine majestätische Performance, vor allen Dingen Soozie an der Geige gefällt mir wahnsinnig gut. Jede ihrer Noten sitzt perfekt und könnte nicht besser zur Stimmung des Liedes beitragen. DIE FRAU MUSS IN DER E-STREET BAND BLEIBEN!!!
So, auf in die erste Zugabe. Dancing In The Dark, die ganze Halle wieder am Springen und Singen, ich muß mich wiederholen, einfach unfuckingbelievable. Ramrod ist sehr lustig, denn Kevin Buell gibt Bruce die falsche Gitarre, was der nicht merkt und das Intro gründlich in den Sand setzt
. Anschließend muß das Lied spontan in einer anderen Tonart gespielt werden
Nach 10 Minuten Ramrod bin ich so gut wie tot. Ich bin sogar derart fertig, daß ich denke "Nu mach doch endlich Schluß, Du alter Sack"
. Aber weit gefehlt, Born To Run erklingt. Die Stimmung bei dem Lied zu beschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der schiere Wahnsinn. Nach Born To Run fängt das Publikum an, den "Oh oh oh oh"-Teil von Badlands zu singen, während Bruce ans Klavier geht und uns begleitet
Dann stimmt er My City Of Ruins an. Man blickt nach hinten und sieht hunderte von Feuerzeugen. Die ganze Halle brüllt "Come on, rise up". Bewegend. Dann versucht sich Bruce wieder auf Deutsch, indem er BITUSA ankündigt. Komischerweise ist sein bekanntester Song derjenige, bei dem im Velodrom zu Berlin am wenigsten los ist. Ist nicht mein Lieblingssong, aber hey, "Take 'Em as They Come"
Am Ende von BITUSA muß ich mir die Ohren zuhalten...Max kloppt derart auf die Drums ein und Bruce verlangt seiner (neuen) 52er Telecaster alles ab. Eine mörderische Kombination, dazu noch Garry's Bass, der bei BITUSA ganz weit vorne im Mix ist. Danach Land Of Hope And Dreams. Ich bereite mich auf das Ende vor und lausche diesem wundervollen Text, vor allem der zweiten Strophe. "Tomorrow there'll be sunshine, and all this darkness past". Nach LOHAD gehen die Lichter noch nicht wieder an, die Show ist noch nicht vorbei. Ich sehe Bruce, wie er mit der Tele zurück auf die Bühne kommt und eine Mundharmonika in der Hand hält. Und tatsächlich, THUNDER ROAD. NoneButTheBrave gehen die Worte aus. Nach Thunder Road gehe ich auf schnellstem Wege aus der Halle, um meinen "old man" zu finden, der sich den ganzen Tag und Abend irgendwo am Prenzlauer Berg aufgehalten hat. Ich finde ihn am Parkplatz direkt neben dem Velodrom an unserm treuen Audi A6
Er fragt nur "Na, wie war's?" Mit noch erstaunlich fitter Stimme (trotz 23 mitgesungener Songs, nur bei Empty Sky und You're Missing nicht) antworte ich nur lachend: "Dummkopf, wenn Du wüsstest, was Du gerade eben verpasst hast"
Und dann gehts auch schon nach Hause, ins beschauliche Gütersloh in NRW. Morgens um 6 falle ich schließlich halb tot ins Bett.
Das war mein erstes Konzert von Bruce und ich kann nur sagen, daß er meine Erwartungen weit übertroffen hat. Es war einfach unglaublich und ich denke, daß ich für dieses Konzert auch 3 Tage vorm Velodrom gestanden hätte