Ich habe mehrfach einige Monate in den USA verbracht, habe sogar dort einen (kleinen) Teil meines Studiums absolviert und ich liebe Land und Leute, aber das heisst ja nicht, dass ich nicht die aktuelle amerikanische Außenpolitik und auch die Entwicklung eines religiösen Fundamentalismus mit Sorge betrachen darf, oder?
Hier, für unseren Administrator noch ein Artikel aus der heutigen FAZ:
Zitat:
Ann Coulter
Sie teilt aus wie Michael Moore, nur viel schöner
Von Nina Rehfeld, Phoenix
12. Mai 2005 Wie kommt man in die Medien und nicht darin um? Macht Tamtam und generiert Aufmerksamkeit noch und nöcher? Ann Coulter weiß, wie es geht, zumindest in den Vereinigten Staaten: „Ich finde, wir sollten Nordkorea sofort mit Atomwaffen angreifen, um dem Rest der Welt eine Warnung zu verpassen. Bumm!” sagte sie in einem Interview mit dem „New York Observer” Anfang dieses Jahres. Da johlt der konservative politische Stammtisch, die Liberalen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, und das Magazin „Time” - hebt Miss Coulter auf den Titel.
Denn weder Rush Limbaugh noch Howard Stern vermögen Amerikas Gemüter derart zu erhitzen wie die Wiedergängerin Michael Moores auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Die dreiundvierzig Jahre alte Juristin und Politkommentatorin hat an der Cornell-Universität studiert und vier Bestseller geschrieben, ist für ihren scharfen Humor gefürchtet, und ihre Modelfigur samt blonder Mähne gereichen ihr auch nicht zum Nachteil. Die Zeitschrift „Vanity Fair” hat sie zur „Paris Hilton der postmodernen Politik” gekürt. Mit ihrer schlagzeilenträchtigen Dirty-Harry-Rhetorik ist sie zum Star einer politischen Subkultur geworden, die aggressiv Emotionen schürt und eine explosive Vermischung von Politik, Religion und Unterhaltung betreibt.
Am 13. September 2001, zwei Tage nach den Terrorangriffen auf New York und Washington, schrieb Ann Coulter: „Wir wissen, wer die selbstmörderischen Wahnsinnigen sind. Es sind die, die jetzt tanzen und jubeln. Wir sollten in ihre Länder einmarschieren, ihre Führer umbringen und sie zum Christentum konvertieren.” Zwar wiesen ihre Unterstützer damals darauf hin, daß Ann Coulter der Tod einer Freundin bei den Terrorangriffen tief verletzt habe. Doch sind die Polemiken, mit denen Ann Coulter zum Popstar der amerikanischen Rechten wurde, durchaus kalkuliert, die Tabus der politischen Rhetorik, die Minenfelder der Diplomatie sprengt sie mit dem denkbar größten Knall in die Luft.
Sie tritt gern im schwarzen Minirock auf und gibt Dinge von sich wie: „Die Behauptung, daß (der Prophet) Mohammed ein von Dämonen besessener Kinderschänder war, ist keine Attacke. Sie ist ein Fakt.” Oder, in der Talkshow „Hannity und Colmes”: „Die Ethik des Naturschutzes leugnet die Herrschaft des Menschen über die Erde. Die niederen Arten sind hier zu unserem Gebrauch. Gott sagt es selbst: Geht, seid fruchtbar und mehret euch, vergewaltigt den Planeten - er ist euer. Große Autos mit hohem Benzinverbrauch - das ist die biblische Vision.” Oder, gegenüber dem „Independent”: „Als wir den Kommunismus bekämpften, okay, da gab es Massenmörder und GULags, aber es waren weiße Männer, und sie waren zurechnungsfähig. Jetzt haben wir es mit vollkommen wahnsinnigen Wilden zu tun.”
Auch mit ihrem eigenen Geschlecht geht Ann Coulter nicht zimperlich um. Feministinnen bezeichnete sie als „schwach und erbärmlich”, überhaupt sollten Frauen ihrer Meinung nach nicht wählen dürfen, weil sie „kein Verständnis dafür haben, wie man Geld verdient. Aber sie wissen, wie man es ausgibt . . . Da heißt es immer: Mehr Geld für Bildung, für Erziehung, für Kindergärten.” Solche sachdienlichen Hinweise zur gesellschaftspolitischen Debatte aus dem Mund einer kinderlosen Tochter aus reichem Haus rufen Gegner selbstverständlich zuhauf auf den Plan, die Unterstützer preisen Ann Coulter derweil wegen ihrer entwaffnenden Sprache und Furchtlosigkeit, endlich mal jemand, der Tacheles redet, der einer vielkritisierten politischen Kultur des Taktierens, der Relativierungen, der political correctness den Mittelfinger entgegenstreckt.
Ann Coulter ist jedoch nicht in einer Wohnwagensiedlung aufgewachsen, und sie muß auch nicht einer existenziellen Wut über Demütigung und Benachteiligung Luft machen. Sie stammt aus einem gottesfürchtigen konservativen Elternhaus in New Canaan, Connecticut. Ihr Vater machte sich als Anwalt einen Namen, der gegen die Gewerkschaften kämpfte, ihre Mutter saß im Stadtausschuß. Dieser persönliche Hintergrund wie ihre Auftritte verunsichern viele Beobachter im Fall der Ann Coulter: Meint sie es wirklich ernst? Oder spielt sie nur eine politische Satire, wie es der Talk-Zyniker Jon Stewart tut? „Das meiste von dem, was ich sage, sage ich, um mich selbst oder meine Freunde zu amüsieren”, gestand sie dem Autor der „Time”-Titelstory John Cloud und warf damit nur noch mehr Fragen auf.
Zu erster Prominenz brachte sie es, als sie 1994 Paula Jones bei deren Klage gegen den damaligen Präsidenten Bill Clinton beriet - mit dem Ziel, Clinton mit dem Vorwurf sexueller Belästigung aus dem Amt zu jagen. Heute berät Ann Coulter unter der Berufsbezeichnung „pundit”. Als Populär-Rezensentin des politischen Geschehens also ist sie unterwegs in einer journalistischen Grauzone, in welcher sich der Grad der Geltung weitgehend an der Drastik des Auftretens bemißt.
Das kann gutgehen und funktioniert, solange man im Einklang mit seinen Auftraggebern ist. Mit denen es sich Ann Coulter auch immer mal wieder verscherzt hat. 1996 stellte sie der Fernsehsender MSNBC als „juristische Kommentatorin” ein. Als ihr in einem Gespräch mit dem prominenten Vietnamveteranen Bobby Muller entfuhr: „Kein Wunder, daß ihr verloren habt”, feuerte sie der Sender fristlos. Als die konservative „National Review”, die ihre Kolumne publizierte, ihr Stück zum 11. September verändern wollte, ging Ann Coulter ins Fernsehen und zieh den Verlag der Zensur. Der beendete daraufhin die Zusammenarbeit.
Und die Tageszeitung „USA Today”, die sie als Korrespondentin für den Parteitag der Republikaner im vergangenen Herbst geworben hatte, übertrug einem anderen Journalisten den Job, als Coulter ihren Bericht mit den Worten begann: „Hier auf dem Parteitag der Brut Satans in Boston”. Sogar Jerry Falwell, eine der Leitfiguren der nicht eben für moderate Töne bekannten religiösen Rechten, distanzierte sich von ihr. Ann Coulters Bücher tragen Titel wie „Rufmord” oder „Verrat” oder „Wie man mit einem Liberalen spricht (wenn man muß)”.
Als ihr vor drei Wochen „Time” eine Titelgeschichte widmete, schrie das liberale Amerika entrüstet auf. Das Onlinemagazin Salon.com empörte sich über die „Katzbuckelei” des Autors mit einer „professionellen Beschimpferin”. Die „Washington Post” warf angesichts des Coulter-Covers den Nachrichtenmedien allgemein eine Tendenz zu „weichen Nachrichten, Promis und Sensationsmache” vor.
Doch sollten es sich die Zeitungen vielleicht besser nicht so einfach machen und mit dem Finger auf die eine, die angeblich so ganz anders ist, zeigen: Ann Coulter verkörpert nämlich ganz und gar attraktiv und oberflächlich den generellen Trend, die politische Arena zum Wrestling-Zirkus umzufunktionieren. Sie führt all jene Methoden ad absurdum, derer sich andere - bisweilen nur in niedrigerer Dosierung - bedienen.
Und wer kennt das nicht aus dem Politikwahlkampf im Fernsehen, bei dem es um Posen und Haltungsnoten, nie aber um politische Haltungen geht: Statt der Tatsachen entscheidet der Tonfall (Ann Coulter ist berüchtigt dafür, daß sie mit Fakten eher sorglos umgeht), besonders gefragt ist, den Gegner lächerlich zu machen. Brüll-Orgien und bejubeltes Fäusteschütteln sehen wir auch, wenn Michael Moore, Al Franken und Bill O'Reilly die Bühne betreten.
Das ist die Welt der „pundits”, die es mit der journalistischen Ethik weniger genau nehmen als mit der Kunst der Polarisierung. Michael Moore - der in Europa mit seinen schlichten Schmähreden ja so gut ankommt, auch wenn er nicht argumentiert, sondern nur Vorurteile bestätigt - fordert „mehr Bildung, auch für ungebildete Menschen wie die Republikaner”. Ann Coulter bezeichnet den „fetten, niemals zufriedenen Sozialhilfeempfänger” als Rückgrat der Demokratischen Partei. Der Radiomoderator Al Franken betitelte sein Buch: „Rush Limbaugh ist ein dicker fetter Idiot, und andere Beobachtungen”. Der Talkmaster Bill O'Reilly wiederum schnauzt Gäste, die ihm mißliebige politische Ansichten vertreten, nur kurz an: „Shut up!” Die Welt der politischen Auseinandersetzung, das ist inzwischen nichts als eine Jerry-Springer-Show mit anderen Themen.
Dem Magazin „Time” verriet Ann Coulter übrigens mit diebischem Stolz, wie sie vorgehe, wenn ein Redakteur einen Text von ihr kürzen wolle. Sie frage stets, ob die fragliche Stelle komisch sei. Falls ja, rate sie lieber, irgendeine Tatsachenbeschreibung zu streichen.
Text: F.A.Z., 12.05.2005, Nr. 109 / Seite 38
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