Bruce Springsteen – "17 Japan-Editionen" (Columbia/Sony BMG, 23. Mai)
Damals, im Jahr 2003, bekam das Leben für drei Stunden und siebzehn Minuten urplötzlich einen Sinn. Wir hatten Bruce Springsteen und die E Street Band schon oft gesehen, doch an diesem Abend auf der Westtribüne, im Block 18 A, trafen uns die "Born In The U.S.A"-Geniestreiche "Bobby Jean" und "No Surrender" wieder mitten ins Herz. Es gab Tränen und die Gewissheit, dass uns trotz Neil Young, trotz Bob Dylan, trotz Leonard Cohen und Nick Drake niemand so viel gegeben hatte wie der Boss. Schon zu Schulzeiten gab es selbst unter den Blind Guardian-Hörern kaum jemanden, der Bruce nicht liebte (oder zumindest respektierte) und bis heute erkennt man verkrampfte Indie-Puristen ja daran, dass sie das entmutigte, gebrochene Anti-Kriegslied "Born In The U.S.A" nie verstanden haben, Bruce für einen breitbeinigen Mucker halten und allenfalls die LP "Nebraska" besitzen, weil Conor Oberst vermutlich gesagt hat, das sei ein tolles Album.
Springsteens größte Anstrengung und gleichzeitig eine der fünf besten Platten aller Zeiten bleibt jedoch "Born To Run", mit dem unübertroffenen "Thunder Road", mit "Jungleland" und "Backstreets" und dem vor Lebensdrang fast zerberstenden "Night": "And you know she will be waiting there / And you'll find her somehow you swear / Somewhere tonight / You run sad and free / Until all you can see is the night." Mehr Protagonisten, die aus dem Nichts kamen und wieder zurück ins Nichts traten, gab es auf dem finsteren "Darkness On The Edge Of Town". Den Beginn von "Candy’s Room" klauten Motorpsycho unbemerkt für ihr "Hey Jane", und bei "Racing In The Street" gehen Träume in die Brüche: "Some guys they just give up living and start dying / Little by little / Piece by piece / Some guys come home from work and wash up / And go racin’ in the street."
"The River" vereinte Kontemplation und Kräftemessen, war aber, wie jedes Doppel-Album, einen Tick zu lang: Vollendet der Titelsong sowie "Drive All Night", "Stolen Car" oder der Ringelpietz "Sherry Darling", daneben aber Triviales wie "Cadillac Ranch", "I'm A Rocker" und "You Can Look (But You Better Not Touch)". Ebenso unterbewertet wie der nach Innen gekehrte "Born In The U.S.A"-Nachfolger "Tunnel Of Love" sind die wortgewaltigen, Soul und R&B-informierten, ersten beiden Springsteen-LPs "Greetings From Asbury Park, N.J" und "The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle". Die Songs über Sandy und Rosalita, über die Eighth Avenue und die 57. Straße sind glänzend gealtert. Keine Frage: Der Boss hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Peter Maffay, Jon Bon Jovi und andere strickten aus Bruce-Platten gar eine ganze Karriere. Nun erscheinen 17 Springsteen-Alben als Mini-Vinyl-Replika in der seltenen Japan-Edition, ohne Bonustracks zwar, aber mit den für Sammler und Komplettisten essentiellen faltbaren Blättchen, die man "Obi Strips" nennt. Die Studioalben: "Greetings From Asbury Park, N.J (9)", "The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle" (10), "Born To Run" (10), "Darkness On The Edge Of Town" (9), "The River" (8), "Nebraska" (10), "Born In The U.S.A" (9), "Tunnel Of Love" (9), "Human Touch" (5), "Lucky Town" (6), "The Ghost Of Tom Joad" (8), "The Rising" (8).
Jan Wigger
Gruß Malerknecht
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