Ist jetzt nicht unbedingt die beste Kritik:
Zitat:
Jeder Radio-Gig ist verzeichnet
16.10.2009
Von Jens Frederiksen
BILDBAND Dave Marshs materialreiche Bruce-Springsteen-Monografie
Sie kennen sich. Sie kennen sich vielleicht sogar zu gut. Der amerikanische Musikjournalist Dave Marsh gehört seit Jugendtagen zur Fangemeinde Bruce Springsteens, war zeitweise mit der Tour-Organisation betraut, im Gegenzug gab der "Boss" Benefiz-Konzerte für Marshs krebskranke Tochter. Das alles ist keine Sünde - im Gegenteil. Aber die beste Voraussetzung für ein lesenswertes, von kritischer Distanz getragenes Buch ist es auch nicht. Und so entpuppt sich Dave Marshs dickleibiger, mit unzähligen Konzertfotos garnierter Bild-Textband "Bruce Springsteen" (Edel Rockbuch, 336 S., 49.95 Euro) zwar einerseits als Materialsammlung von überwältigender Fülle, zum anderen aber als Dauer-Kniefall vor einem Rockmusiker, der mit ein bisschen Frechheit und Querdenkerei sicherlich farbiger und interessanter hätte skizziert werden können.
Marsh schildert Springsteen vornehmlich aus der Perspektive des Konzertgängers, rekonstruiert minutiös die frühen Auftritte und Radio-Gigs in New Jersey, vergleicht die Setlists der einzelnen Springsteen-Tourneestationen durch die 40 Jahre seiner Karriere, macht Raritäten und Ausreißer aus, stapelt dabei Superlativ auf Superlativ und arbeitet sich auf diese Weise chronologisch von "Greetings From Asbury Park" bis zu "Devils And Dust" vor.
Was allenfalls angedeutet oder vollständig ausgespart bleibt, sind die Hintergründe: biografische Details, Beziehungs-Geschichten, aber auch das Ringen mit der Plattenfirma, das Gedrängt-Werden und die alle Vorstellungen sprengende Promotion. Breiten Raum immerhin nimmt die Schilderung von Springsteens jahrelangem Kampf mit seinem ersten Manager Mike Appel ein. Anderes wie seine erste Heirat, der schnell die Scheidung folgte, und sein anschließendes Glück mit Patti Scialfa ist hingegen in Nebensätze abgedrängt.
Kurz: Die Gewichtungen stimmen nicht. Das gilt auch für die Bildauswahl. Jedes Konzert, von dem ein Foto zu ergattern war, ist bedacht - wenn nicht ganz- oder gar doppelseitig, dann im Briefmarkenformat in der kleinen Dokumentationsleiste, die beigefarben am Fuße jeder Textseite läuft. Der private, der nicht-öffentliche Springsteen indes fehlt. Am Ende erkennt man inmitten lauter austauschbarer Bühnenposen die einzelnen Entwicklungsphasen des "Boss" nicht mehr. Das Buch ist definitiv nichts für Einsteiger - der Fan hingegen wird sicher etwas finden.